Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)
und führte einen raschen Schnitt aus. Auf der Kehle des Mannes erschien ein dunkelroter Streifen, der rasch breiter wurde. Er gab ein ersticktes Röcheln von sich und sackte zusammen.
Der Mörder bückte sich und wischte die Klinge an den Kleidern seines Opfers ab. »Noch im Tod sind sie abstoßend. Diese Kerle haben einfach keinen Schneid, dafür aber die Frechheit, mir meinen Namen zu klauen.«
Yan ließ die Hand mit dem Dolch nicht sinken. Was war hier los?
»Oh! Ich hoffe, du bist nicht böse, dass ich dir den Dreckskerl vor der Nase weggeschnappt habe. Die Gelegenheit war gerade so günstig …«
Yan starrte den Bettler verständnislos an. Der Mann steckte das Messer weg und stemmte die Hände in die Hüften.
»Ich sagte: Ich hoffe, du bist mir nicht böse, dass ich dir das Leben gerettet habe!«
»Äh, danke«, stammelte Yan.
Ihm ging nicht aus dem Kopf, wie kaltblütig der Mann den anderen getötet hatte. Wie sollte er da dem Neuankömmling vertrauen? »Wer seid Ihr?«, fragte er und hatte das Gefühl, sich zu wiederholen.
»Rey von Kercyan, der echte. Und ich heiße Rey, nicht Reyan. Der Kerl hätte wissen müssen, dass ich mich von niemandem Reyan nennen lasse. Das klingt viel zu hochgestochen. Und wer bist du? Außer ein Pferdedieb?«
»Yan. Und das Pferd gehört mir!«
»Die Tür auch? Und das Schloss?«
Yan schwieg betreten.
»War doch nur ein Scherz. Komm, wir müssen hier weg.«
Der Mann, der sich Rey nannte, beugte sich abermals über die Leiche, zog einen speckigen Geldbeutel aus der Hosentasche des Toten und wog ihn mit verächtlicher Miene in der Hand. Yan war entsetzt. Er hatte nicht die Absicht, sich diesem skrupellosen Mörder anzuschließen. Er war gewiss auf eine Belohung aus, die die Züu auf Yans Kopf ausgesetzt hatten, und um mit niemandem teilen zu müssen, hatte er seinen Kumpan umgebracht. So jemand konnte kein Erbe sein!
»Ich muss dann mal weiter«, murmelte Yan. »Nochmals vielen Dank.«
»Warte!«
Es klang eher wie eine Bitte als wie ein Befehl, und der Bettler machte keine Anstalten, ihn aufzuhalten. Yan beschloss, ihn anzuhören, wenigstens einen Moment lang.
»Ich habe gehört, was du gesagt hast. Alles, was du gesagt hast. Ich bin seit über einer Dekade hier, und das ist die erste gute Nachricht. Du musst mir natürlich nicht glauben, aber ich gehöre auch zur Familie. Sehr zu meinem Leidwesen«, fügte er leise hinzu.
Yan wusste nicht, was er glauben sollte. Der Tonfall des Mannes klang aufrichtig, aber es stand zu viel auf dem Spiel. Das alles konnte Teil eines heimtückischen Plans sein, um seine Freunde in die Falle zu locken.
»Ich kann Euch nicht zu ihnen führen. Ich kenne Euch nicht.«
»Ich weiß. Darüber habe mir schon Gedanken gemacht. Also: Du gehst jetzt zu ihnen und sagst ihnen, dass ich lebe. Seit unserer letzten Begegnung bin ich etwas gewachsen, aber sie werden sich gewiss an mich erinnern. Sag ihnen, ich sei der Junge, der vor ein paar Jahren das Zelt angezündet hat. Das können sie nicht vergessen haben«, fügte er grinsend hinzu.
Yan nickte. Er verstand zwar nicht alles, was Rey sagte, aber er schien Yan vorerst nichts Böses zu wollen. Das reichte ihm. »Und dann? Wenn ich sie überzeugen kann?«
»Dann kommt ihr mich holen. Natürlich nicht hier«, sagte er schnell, als er Yans entgeisterten Blick sah. »Ich habe nicht vor, hier noch länger zu verweilen. Wir treffen uns morgen gegen Mit-Tag an dem Strand, an dem die Zusammenkünfte der Erben stattfinden.«
»Der wird doch gewiss von den Züu überwacht«, wandte Yan ein.
»Nein. Ich habe nachgesehen. Bislang ist niemand dort. Vermutlich kommen sie erst am Tag der Eule.«
Yan ließ sich darauf ein. Gern hätte er einen anderen Ort vorgeschlagen, doch er kannte sich in der Umgebung von Berce nicht aus. Grigán würde entscheiden, was zu tun war.
»Eins noch: Sag ihnen, dass die Große Gilde ihre Finger im Spiel hat.«
»Die Große Gilde?«
»Hast du noch nie etwas von der Großen Gilde gehört, oder glaubst du mir nicht?«, fragte Rey erstaunt.
»Ich habe noch nie etwas davon gehört«, sagte Yan herausfordernd.
»Oh, da kann ich mich ja glücklich schätzen, Hilfe gefunden zu haben«, murmelte Rey.
»Ich werde Eure Worte einem Bekannten von mir ausrichten«, zischte Yan. »Ich wette, er hält Euch auch für eine große Hilfe.«
Einen Moment lang schwiegen beide.
»Schnell eingeschnappt, was?«, sagte Rey einlenkend.
»Spöttisch, was?«, gab Yan zurück.
Sie grinsten
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