Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
ununterbrochen zu ihm sprechen, wie ein fernes Rauschen.
Er erkennt sofort die Gedanken seines Freundes und freut sich über ihre Stärke. Aber nicht nach ihnen sucht er. Mühelos entdeckt er Hunderte anderer Gedanken und stößt sie verächtlich fort. Sie sind seiner Aufmerksamkeit nicht wert. So durchstreift er die Geister von Abertausenden von Lebewesen, hohlen Schwätzern mit leeren Gedanken.
Er erwacht halb aus dem Schlaf und zwingt sich, noch aufmerksamer zu lauschen. Endlich hört er interessantere Geräusche, nämlich die Gedanken der Menschen, die er bald töten wird. Sie hassen ihn. Sie fürchten ihn. Das freut den Schatten, denn er zieht Kraft aus ihrem Hass und ihrer Furcht.
Als er endgültig aufwacht, könnte er sofort einen oder zwei dieser Menschen töten, mit einem kurzen Gedanken. Doch anschließend würde er lange Zeit schlafen müssen. Außerdem würde ihm das keine Freude bereiten. Bei seinem letzten Ausflug ins Reich der Sterblichen hat er Blut geleckt. Er mag die Abwechslung. Der Schatten langweilt sich schrecklich.
Wieder fällt er in einen tiefen Schlaf, voller Vorfreude auf die nächsten Tage. Bald wird er stark genug sein und keinen Schlaf mehr brauchen. Mit jedem Tag wächst seine Kraft.
Selbst im Schlaf lauscht er noch und entdeckt plötzlich einen weiteren Geist, der auf ihn gerichtet ist, in der Nähe seiner menschlichen Feinde. Einen Geist mit unermesslichen Kräften, sehr viel mächtiger als er selbst.
Er erkennt ihn und wacht abrupt auf. Usul. Jetzt erinnert er sich. Er erinnert sich an alles. Unbändiger Hass steigt in ihm auf, und er brüllt seinen Schmerz und seine Wut in die Nacht hinaus.
»Habt ihr das gehört?«
Grigán hieß seine Gefährten stehen bleiben und lauschte eine Weile den Geräuschen des Urwaldes. Doch er hörte nichts als das heisere Geschrei der Nachtvögel und das Sirren der Insekten.
»Was denn?«, fragte er Lana, die den Alarm gegeben hatte.
»Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht«, sagte die Maz. »Eine Art Schrei. Ich muss mich verhört haben. Ich bin etwas nervös, verzeiht mir.«
»Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen. Gebt lieber zehnmal falschen Alarm als einmal zu wenig. Bitte zögert auch beim nächsten Mal nicht.«
Sie setzten sich wieder in Bewegung, und alle bis auf Lana, der der Schrei immer noch in den Ohren gellte, vergaßen den Zwischenfall. Aber bald dachte auch sie nicht mehr daran, sondern konzentrierte sich auf den mühsamen Marsch durch die Nacht und die bevorstehende Begegnung - die wichtigste ihres Lebens und möglicherweise ihre letzte.
Die Erben hatten immer noch nicht herausgefunden, wie die Guori die Insel bewachten. Bisher schien alles zu glatt zu laufen. Nun befiel sie eine neue Angst: Was, wenn es nichts zu bewachen gab? Was, wenn es auf der Insel ebenso wenig einen Gott wie fliegende Margoline gab?
In düstere Gedanken versunken, gelangten die Gefährten zum Fuß des Bergs. Sie befanden sich nun im Inneren der Insel, und das größte Tier, dem sie bislang begegnet waren, war ein scheues Mausäffchen gewesen. Die Insel wirkte vollkommen verlassen, was fast noch beängstigender war, als wenn sie bewaffneten Soldaten begegnet wären.
Grigán sah zu dem Berg hoch, der auf dem Festland eher als großer Hügel gegolten hätte. Der Hang war mit dichtem Gestrüpp bedeckt, nur der Gipfel bestand aus kahlem Fels. Dort oben würden ihnen keine Bäume oder Sträucher Schutz bieten. Falls auf der Insel irgendeine Gefahr lauerte, würden die Gefährten ihr bald ins Auge sehen.
»Lösch deine Laterne, Bowbaq«, befahl Grigán. »Wir nehmen nur noch eine.«
Der Riese gehorchte, und Yan legte ein Tuch über seine Laterne, um das Licht zu dämpfen. Bowbaq lief ein Schauer über den Rücken, als die Finsternis sie umhüllte. Er ballte die Fäuste und zuckte bei jeder Bewegung und jedem verdächtigen Rascheln zusammen.
Der Hang war nicht steil, und vereinzelte Grasbüschel dienten ihnen als Tritte. Trotzdem kamen sie nur langsam voran, da sie immer wieder stehen blieben und sich umsahen, und so brauchten sie für den Aufstieg noch einmal genauso lang wie vom Strand zum Fuß des Bergs.
Als der Gipfel nur noch fünfzig Schritte entfernt war, hatte sich Usul immer noch nicht gezeigt. Auch sonst war nichts zu sehen. Bei den letzten Sträuchern blieb Grigán stehen, weil er die anderen nicht in Gefahr bringen wollte. Als Corenn sein Zögern spürte, trat sie mit entschlossenen Schritten aus dem schützenden Dickicht. Bald holten
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