Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
ihr folgte. Doch Corenn hatte sich ihm in den Weg gestellt. Missmutig erklomm Léti die Stufen, denn sie war sicher, dass ihre Tante versuchen würde, Grigán von seinem Vorhaben abzubringen.
»Ich will nicht, dass sie sich in den Kopf setzt, gegen die Züu zu kämpfen«, sagte Corenn. »Bitte bestärkt sie nicht in dieser Idee. Sie soll nicht glauben, sie könnte einen solchen Kampf gewinnen.«
Grigán sah sie an, als hätte sie seine Ahnen beleidigt und seine Nachkommen verflucht. Nie zuvor hatte Corenn ihn so tief gekränkt. Sie tat gerade so, als sei er ein verantwortungsloser Draufgänger.
Er beschloss, ihre Worte auf die Angst zu schieben, die alle Gefährten umtrieb. In den letzten Tagen hatte er sich mehrmals der übertriebenen Vorsicht bezichtigen lassen müssen. Diesmal würde er seine Wut im Zaum halten.
»Macht Euch keine Sorgen«, sagte er und folgte Léti, die vor dem Stall auf ihn wartete.
Er hatte eigentlich damit gerechnet, dass alle der ersten Übungsstunde zusehen würden, doch nur Rey gesellte sich zu ihnen. Er machte es sich mit einer Flasche Grünwein, die er aus Rajis Lager stibitzt hatte, auf einem Heuhaufen bequem. Grigán ärgerte sich schon jetzt über die spöttischen Bemerkungen, die Rey gewiss von sich geben würde. Er beschloss, den Spaßvogel zu ignorieren und sich auf Léti zu konzentrieren.
Das Mädchen schien ungeduldig darauf zu warten, dass Grigán ihr irgendein dunkles Geheimnis verriet. Er hatte noch nie Unterricht erteilt, egal auf welchem Gebiet, und hatte keinen blassen Schimmer, was er tun oder sagen sollte.
»Vielleicht solltet Ihr Léti eine Waffe geben?«, schlug Rey vor, als könne er Gedanken lesen.
Dass ausgerechnet Rey sein Zögern bemerkt hatte, machte Grigán, dessen Nerven ohnehin blank lagen, wütend. Mit einer schnellen Bewegung, der man die jahrelange Erfahrung ansah, zog er sein Krummschwert und wirbelte es gekonnt durch die Luft. Er bereute es sofort. Solche Manöver waren nichts als nutzlose Prahlerei, und er beherrschte sie nur, weil er mit dem Schwert in der Hand aufgewachsen war.
Er hatte nur demonstrieren wollen, dass er keine Ratschläge brauchte, doch nun war Létis Faszination für den Umgang mit der Waffe noch gewachsen.
Sie hatte seine Vorführung mit großen Augen verfolgt. Natürlich würde sie bei der erstbesten Gelegenheit versuchen, ihn nachzuahmen. Verflucht!
»Gut. Was willst du lernen?«, fragte er. Plötzlich hatte er es eilig, das Ganze hinter sich zu bringen.
»Alles. Ich möchte so kämpfen können wie Ihr. Ich will lernen, wie man angreift und pariert und so weiter.«
»Das kann man niemandem beibringen. Es ist eine Frage der Erfahrung.«
»Dann übt mit mir.«
Grigán überlegte. »Wir fangen mit dem Bogen an«, verkündete er.
»Nein. Schießen kann ich schon. Ich möchte den Umgang mit dem Schwert lernen.«
Er schüttelte fassungslos den Kopf. Wäre er nicht an sein Versprechen gebunden, hätte er dieses leichtsinnige junge Ding einfach stehen lassen. Er schwor sich, dass es keine zweite Unterrichtsstunde geben würde.
Dennoch überlegte er pflichtschuldig, was er ihr raten konnte. Mit dem Krummschwert in der Hand dachte er an die zahllosen Kämpfe, die er bestritten hatte. Er war froh, als ihm etwas einfiel,das Léti entmutigen würde. »Als Erstes musst du deine Angst überwinden«, sagte er ernst. »Die Angst vor Verletzungen. Vor Narben im Gesicht und am ganzen Körper. Die meisten Verletzungen heilen nie ganz. Im Kampf zieht man sich Kratzer, Schnitte und Prellungen zu, aber auch tiefe Wunden und Knochenbrüche. Man kann Gliedmaßen verlieren. Man geht nie unversehrt aus einem Kampf hervor. Niemals.«
»Ich weiß. Was noch?«
Diese Erfahrung hatte Léti bereits am Vortag gemacht. Sie spürte die Schmerzen immer noch. Wenn Grigán sie hatte abschrecken wollen, war ihm das nicht geglückt.
»Du verstehst mich nicht richtig. Ich will nicht sagen, dass du Gefahr läufst, verletzt zu werden. Ich hoffe, das weißt du! Aber wenn du Angst vor dem Angriff des Gegners hast, verausgabst du dich bis zur Erschöpfung, um zum Beispiel einen Schnitt am Bein zu vermeiden. Dann hast du den Kampf schon verloren. So einfach ist das.«
»Und?«
»Wenn du lernen willst, dich zu verteidigen - und ich sage mit Absicht verteidigen -, musst du das Wichtigste im Blick behalten: dein Überleben, sonst nichts. Anders gesagt: Wenn du dir keine Narbe wie meine zuziehen willst, gib lieber jetzt gleich auf und lass andere für deinen
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