Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
getroffen hatte, konnten sie davon ausgehen, dass sich kein Zü unter den Bogenschützen verbarg. So hatten sie zumindest eine Sorge weniger.
»Die Moralvorstellungen an diesem Ort sind wirklich erschütternd«, sagte Corenn, als Grigán wieder neben ihr stand. »Ich habe zufällig ein paar Gespräche belauscht. Der Mann dort drüben versucht, eine Schiffsladung Salz zu verkaufen, die er durch einen Piratenangriff erbeutet hat. Der Mann daneben ist der Vorbesitzer. Er will das Schiff und die Ladung von dem Räuber zurückkaufen! Sie einigen sich gerade auf einen Preis. Ist das nicht seltsam?«
»Seltsam wäre es, wenn sich die Züu bereit erklärten, uns auch nur anzuhören«, brummte der Krieger. »Bringen wir es rasch hinter uns, Dame Corenn, ich bitte Euch.«
Sie betraten einen Weg zwischen den Hecken und kamen an mehreren Händlern und Besuchern vorbei, die in Gruppen beisammenstanden und miteinander verhandelten. Ungefähr die Hälfte waren Lorelier, die anderen Goroner, Rominer oder Jez.
Nacheinander wurde ihnen eine angebliche Reliquie Yoos’ angeboten, Daï-Schlangeneier und ein Grundriss des Palasts von Kolimine, auf dem natürlich auch die Schatzkammer eingezeichnet war. Ein stämmiger Kerl, der das Wappen Soltans trug, bot ihnen sogar ein Fass Menschenblut an. Corenn versuchte, nicht darüber nachzudenken, woher er es hatte und wozu man so etwas gebrauchen konnte. Als Nächstes bestand ein Yérim mit verschlagenem Blick darauf, Grigán eine Sklavin in heiratsfähigem Alter zu verkaufen, die er wortreich als sehr gehorsam beschrieb. Der Krieger warf ihm einen finsteren Blick zu, und Corenn schickte den Mann mit scharfen Worten fort.
An einer Wegkreuzung blieben sie stehen. Sie hatten zwei Boten Zuïas erblickt.
Die Züu saßen auf einer Marmorbank abseits der anderen Händler. Sie taten nichts. Nichts als warten.
Als die Erben näher kamen, erhoben sie sich. Sie hatten Corenn und Grigán erkannt.
Yan unterbrach seine Bemühungen, die Prüfung zu bestehen, um ein wenig mit Bowbaq zu plaudern. Auf Bitte des jungen Mannes erzählte der Riese von früheren Zusammenkünften der Erben und gab einige Anekdoten über die Gefährten und Létis Kindheit zum Besten.
Als Bowbaq schilderte, wie Rey fünfzehn Jahre zuvor ein Zelt angezündet hatte, mussten beide lachen. Yan sagte kichernd, der Schauspieler habe sich damals wohl zum ersten und letzten Mal in seinem Leben erwischen lassen.
Dann ging Bowbaq in den Stall, um die Pferde zu striegeln und ihnen etwas Bewegung zu verschaffen. Er ertrug es nicht länger, tatenlos herumzuliegen, und die Arbeit half ihm, nicht allzu sehr über ihr Abenteuer nachzugrübeln. Er hatte sich in den letzten Tagen genug Sorgen gemacht.
Yan kehrte in den Wald zurück, legte sich wieder auf den Bauch und stellte die Münze vor sich auf. Verdrossen zählte er die Dekanten, die er bereits auf diese Übung verwendet hatte, gab die Rechnung aber rasch wieder auf, weil ihn das Ergebnis erschreckte. Er musste sich einfach noch mehr Mühe geben und sich noch besser konzentrieren.
Lange Zeit bot er all seine Kräfte auf. Er versuchte es nicht zu erzwingen, sondern seinen Willen auf die Münze zu richten, so wie Corenn es ihm geraten hatte. Doch für ihn waren das nichts als leere Worte und abstrakte Begriffe. Er hatte keine Ahnung, wie er die Sache angehen sollte, und kam sich so hilflos vor wie ein Vogeljunges, das fliegen sollte, bevor ihm Flügel gewachsen waren.
Gleichwohl erschöpfte ihn die Übung. Nach jedem Versuch war sein Kopf leer und sein Körper geschwächt. Er gab tatsächlich alles und erzielte auch irgendetwas, aber es reichte nicht aus.
Er näherte sein Gesicht der Münze. Vergeblich. Obwohl er Corenn nicht danach gefragt hatte, war Yan inzwischen klar, dass der Abstand zwischen dem Magier und seinem Ziel bedeutungslos war, solange er es nur sehen konnte.
Er war es leid, die Münze anzustarren. Ein Drittel der Oberfläche war abgenutzt, und sie hatte zwei Kerben im Rand. Sie machte ihn rasend. Noch nie hatte er irgendetwas so sehr gehasst, und dieses Gefühl war nicht gerade hilfreich.
Er überlegte, ob er eine andere Münze nehmen sollte, verwarf die Idee jedoch gleich wieder, da er sie bald ebenso hassen würde. Mit dieser Münze konnte er jedenfalls nicht weiter üben. Er wusste, dass er keine Fortschritte machen würde, bis er das Problem nicht gelöst hatte.
Plötzlich fiel ihm die kleine blaue Mondkönigin ein, die er um den Hals trug. Létis
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