Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
hatte ich Zweifel, ob Ihr zu einem Gespräch bereit wärt.«
»Es wäre eine Lüge, zu sagen, dass ich nicht ebenfalls überrascht bin«, erwiderte der Mörder ebenso höflich. »Doch ich bin neugierig, was Ihr zu sagen habt, auch wenn ich mir bereits denken kann, wie Eure Fragen lauten.«
Corenn holte tief Luft und nahm all ihren Mut zusammen. Im ständigen Rat von Kaul galt sie als Meisterin der Diplomatie, doch noch nie hatte sie eine Verhandlung geführt, bei der sechs Menschenleben auf dem Spiel standen und eine Einigung derart aussichtslos erschien. Sie rief sich ihre Strategie in Erinnerung und ging zum Angriff über. »Wie habt Ihr uns eigentlich erkannt?«, fragte sie beiläufig, als wäre die Frage völlig bedeutungslos.
Der Züu dachte eine Weile nach. Sein Komplize ließ die Erben nicht aus den Augen, so wie auch Grigán auf jedes Anzeichen von Feindseligkeit achtete. Der Kampf wurde zwischen Corenn und dem Zü mit den höflichen Umgangsformen ausgetragen.
»Warum sollte ich darauf antworten?«, sagte der Zü schließlich mit dem Anflug eines Lächelns.
Corenn steckte den Schlag ein, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Das erste Scharmützel hatte sie verloren. Ihr Gegner war kein Anfänger. Sie ließ das Thema fallen, da sie die Antwort ohnehin kannte. Die Pergamente der Züu, die sie gefunden hatten, enthielten eine genaue Beschreibung all ihrer Opfer. Die Mörder waren gut organisiert. »Ihr habt recht«, sagte sie. »Nichts zwingt Euch, mir Eure Geheimnisse preiszugeben. Verzeiht.«
Mit einem kurzen Kopfnicken nahm der Zü ihre Entschuldigung an. Nun war der Kampf eröffnet. Jemand, der gerade einen offenen Sieg davongetragen hatte, war eher dazu bereit, an anderer Stelle Zugeständnisse zu machen.
Die Diplomatie war keine leichte Kunst, wie Corenn erneut bewusst wurde. Bei genauerer Betrachtung waren die Ähnlichkeiten mit der Kriegsführung groß.
Die Auswahl der Worte und Argumente entsprach der Kriegsvorbereitung. Tonfall, Mimik und Gestik waren die Waffen. Der Umgang mit Gesprächspausen und Einwirkungen von außen war die Heerführung. Beide Parteien konnten Gebiet gewinnen oder verlieren, den Feind vernichtend schlagen, einen Waffenstillstand schließen, zum Gegenangriff übergehen oder einen Feldzug planen.
Im Moment hatte sich der Zü in seiner Trutzburg verschanzt, und Corenn versuchte, sie mit einem Holzschwert zu stürmen. Ihre einzige Chance war, ihn dazu zu überreden, die Zugbrücke herunterzulassen.
»Die Anhänger der Göttin werden immer zahlreicher«, sagte sie gleichmütig. »Bald wird es in jeder großen Stadt einen Zuïa geweihten Tempel geben, vor aller Augen. Ihre Boten in den Untergrund zu drängen, wie es die Könige und Herrscher tun, ist für niemanden von Vorteil.«
»Ich bin ganz Eurer Meinung«, sagte der Mörder ruhig.
Die Zugbrücke war immer noch oben. Corenn beschloss, einen Köder auszulegen. »Daher war es auch so schwierig, Euch zu treffen. Fast wäre es zu spät für eine Aussprache gewesen. Doch jetzt können wir diesen dummen Streit endlich aus der Welt schaffen.«
Grigán bewunderte Corenn. Manche Feinheiten der unsichtbaren Schlacht mochten ihm entgehen, doch er schätzte ihre Taktik. Sie stellte ihren Kampf auf Leben und Tod als geringfügige Meinungsverschiedenheit dar.
Es ging um alles oder nichts. Sollte der Zü in die Falle tappen, hätte Corenn ein leichtes Spiel, witterte er jedoch den Hinterhalt, würde sie zugeben müssen, dass sie nicht über genug Truppen für einen Angriff verfügte.
Der Mörder durchschaute Corenns Manöver.
»Welcher dumme Streit?«, fragte er sanft. »Zuïa hat Euch gerichtet. Die Boten werden ihr Urteil vollstrecken. Was ihr einen ›dummen Streit‹ nennt, ist nichts anderes als ein göttlicher Befehl.«
Grigán musste sich zusammenreißen, um dem fanatischen Priester nicht die Faust ins Gesicht zu rammen. Doch damit hätte er nur sein Todesurteil unterschrieben. Es fiel ihm schwer, nicht laut zu fluchen und wilde Drohungen auszustoßen. Aber Corenn hatte ihn gebeten, sich zurückzuhalten, und jetzt verstand er, warum. Beim kleinsten Fehler würden die Züu als Gewinner dastehen. Auch wenn der Krieger von Anfang an gegen den Plan gewesen war, hatte er doch genug Verstand, sich so zu verhalten, dass die Ratsfrau ihn in die Tat umsetzen konnte.
Obwohl Corenn mit einem Scheitern ihres Vorstoßes gerechnet hatte, war sie enttäuscht. Sie würde ihr Vorgehen ändern müssen.
Sie beugte sich ein wenig vor, und
Weitere Kostenlose Bücher