Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
Gefährten habe ich schon so viel Seltsames erlebt, dass mich nichts mehr aus der Fassung bringt. Hoffentlich nimmt er nicht zu viel Geld für die Auskunft.«
»Ich spreche von Usul.«
Rey blieb das Lachen im Halse stecken. Über Usul kursierten die furchtbarsten Legenden.
»Der Gott der Guori«, sagte Grigán. »Im Schönen Land.«
»Wart Ihr schon einmal dort?«, fragte Lana hoffnungsvoll.
»Ein Freund von mir lebt dort. Aber die Einheimischen verbieten Fremden, ihre Heilige Insel zu betreten. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass dort ein Gott lebt, kämen wir nicht an ihn heran.«
»Wir müssen es versuchen«, sagte Corenn entschlossen. »Lana ist eine Maz. Vielleicht beeindruckt sie das.«
»Die Guori sind keine freundlichen, arglosen Wilden«, erklärte Grigán. »Sie besitzen mindestens so viele Kriegsschiffe wie die Lorelier, auch wenn sie ihre Heimat nur selten verlassen. Die Heilige Insel wird besser bewacht als die Hauptstadt Großterra. Die Gefahr ist zu groß.«
»Nehmen wir einmal an, wir könnten Usul aufsuchen, durch welches Wunder auch immer, und er würde tatsächlich die Antworten auf unsere Fragen kennen. Warum sollte er sie uns geben?«, fragte Rey.
»Es gilt viele Hindernisse zu überwinden«, gab Lana zu. »Aber ich weiß keinen anderen Ausweg. Ich brauche Eure Hilfe.«
Die Gefährten dachten über ihre Worte nach. Vor der Begegnung mit Lana waren sie ratlos gewesen. Die Hoffnung, die sie in ihnen geweckt hatte, war zwar vage und würde sie auf einen gefährlichen Weg führen, doch zumindest hatten sie nun wieder ein Ziel vor Augen.
»Ich bin dafür, ins Schöne Land zu reisen«, sagte Corenn. »Wir brauchen endlich Antworten. Wenn es uns gelingt, Usul zu finden, wird er uns den Namen unseres Feindes nennen können.«
Die Erben nickten schweigend.
Ein Schatten fliegt durch die Nacht. Er könnte die Strecke in einem Wimpernschlag zurücklegen, doch er findet Gefallen daran, den Flug in die Länge zu ziehen. Schon lange hat er sich nicht mehr so frei gefühlt. Er fliegt dicht über die Wellenkronen des Mittenmeers hinweg, taucht manchmal ins Wasser ein, ohne langsamer zu werden und ohne eine Spur zu hinterlassen. Der Schatten hat noch keine Gestalt angenommen. Noch ist er ein Geist.
Der Schatten kann die friedliche Aussicht über die weite Fläche nicht genießen, die sich bis zum Horizont erstreckt. Für ihn ist sie einfach nur eine neue Umgebung. Fremder als die, die er schon kennt. Nicht schöner oder hässlicher. Für ihn ist alles traurig und ohne Schönheit. Der Schatten kann sich nichts anderes vorstellen. Früher vielleicht. In einer fernen Vergangenheit. Doch jetzt nicht mehr.
Der Schatten gleitet über das dunkle Meer und fliegt mit hoher Geschwindigkeit durch die Nacht. Schon ändert sich die Umgebung. Er nähert sich seinem Ziel. Der Horizont hebt sich und wird zum Festland. Der Schatten wird langsamer, um noch etwas Zeit zu gewinnen. Er fliegt über menschliche Behausungen hinweg. Für einen Augenblick lauscht er den Gedanken Tausender Sterblicher, dann stößt er sie voller Abscheu fort. Sie sind an seiner Lage schuld, zugleich Meister und Sklaven. Wie sehr er sie hasst!
Er fliegt über Wälder und Berge hinweg, Wege und Flüsse, Dörfer und Städte. Spielerisch folgt er den Senken und Erhebungen, steigt höher und tiefer, ohne je den Boden zu berühren. Er durchquert eine Herde wilder Aurochen, als wären sie Luft. Der Schatten weiß nicht, was wilde Aurochen sind, und es kümmert ihn auch nicht. Einen Augenblick später, als er bereits zwanzig Meilen entfernt ist, hört er immer noch das ängstliche Blöken der Tiere, in deren Geist er eingedrungen ist. Lästig. Er tötet sie mit einem einzigen Gedanken.
Der Schatten wundert sich. Er fühlt sich seltsam. Die Anstrengung schwächt ihn. Seine Kraft nimmt ab, und das Fliegen fällt ihm immer schwerer. Er hätte nicht gedacht, dass er so anfällig ist.
Er muss sich beeilen, seinen Auftrag erfüllen und zu seinem Freund zurückkehren.
Der Schatten springt nun direkt zu seinem Ziel, weil er hofft, dadurch Kraft zu sparen. Doch er hat sich verschätzt. Nun ist er erschöpft. Er will nur noch schlafen. Zum Glück wird alles bald vorbei sein. Er lauscht dem Geist einiger Sterblicher und schöpft genug Kraft aus ihnen, um wach zu bleiben.
Er durchdringt ein menschliches Bauwerk von zwei Schritten Breite. Mühelos. An der Mauer bleibt keine Spur von seinem Eindringen zurück. Er durchquert drei, fünf, neun weitere
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