Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel
nicht.«
»Sind die Kinder denn unglücklich?«, fragte Lana.
Nol wurde langsamer, blieb dann stehen und wandte sich zu ihr um. »Diese Frage höre ich zum ersten Mal«, sagte er. »Das wollte noch nie jemand wissen. So etwas ist schon lange nicht mehr vorgekommen. Ich muss erst darüber nachdenken.«
Der Wächter setzte seinen Weg fort, und die Erben folgten ihm. Offenbar hatte Nol nicht vor, ihnen die Antwort noch am selben Tag zu geben. Die Gefährten nickten Lana beifällig zu, doch die Priesterin fand nicht, dass sie es verdient hatte. Es wollte ihr nicht in den Kopf, dass noch niemand diese Frage gestellt hatte.
Bald kamen sie wieder an einem Mädchen vorbei, dann an einem Jungen, und schließlich an zwei weiteren Kindern, die friedlich schlummerten. Nachdem sie mehrere Götterkinder gesehen hatten, konnten die Erben bezeugen, dass alle verschieden aussahen. Ihre Haare waren blond, braun, rot, schwarz oder sogar weiß. Auch ihre Haut hatte die verschiedensten Schattierungen. Einige Kinder mochten aus den Oberen oder Unteren Königreichen stammen, und manche aus den Ländern des Ostens. Doch bei den meisten ließ sich die Herkunft nicht bestimmen.
»Wie viele Kinder leben im Tal?«, fragte Corenn neugierig.
»Das kommt ganz auf die Wünsche und Gedanken der Sterblichen an«, antwortete Nol. »Es würde nichts nützen, sie zu zählen. Ihr könntet zehn Mal von vorn beginnen und würdet doch nie auf das gleiche Ergebnis kommen.«
»Und was ist mit den Älteren? Den Kindern, deren Vollendung unmittelbar bevorsteht?«
»Die Ältesten bekommt Ihr nicht zu Gesicht. Wenn Sterbliche die Gärten besuchen, verstecken sie sich«, erklärte Nol gleichmütig.
Sie erreichten eine Wiese, auf der das Eroberte Schloss von Junin Platz gefunden hätte. In der Mitte stand eine Baumgruppe mit dichtem Laub, und im Schatten des Blätterdachs schliefen mehrere Kinder, sechs an der Zahl, wie Grigán feststellte.
»Wo kommen sie her?«, fragte er. Eigentlich hatte er nur laut gedacht. »Wo kommen all diese Kinder her?«
»Vielleicht sind es ja tatsächlich die Kinder von Göttern«, schlug Léti vor.
»Unsterblichkeit macht unfruchtbar«, rief ihr Yan ins Gedächtnis.
»Nur zum Teil. Oder es sind Halbgötter, entstanden aus einer Verbindung von Göttern und Menschen«, mutmaßte die junge Frau.
»Nol, könnt Ihr uns diese Frage beantworten?«, erkundigte sich Corenn, während sie dem Wächter auf die Wiese folgten.
»Leider nein. Wie gesagt, meine eigene Herkunft ist mir ein Rätsel. Wenn ein Kind hier auftaucht, ist es, als wäre es schon immer da gewesen.«
Sie blieben stehen, als ein Junge auf einen mit Seerosen bewachsenen Tümpel zustapfte. Fröhlich planschend lief das Götterkind ins Wasser.
»Habt Ihr keine Angst, dass es ertrinkt?«, fragte Yan, obwohl er die Antwort ahnte.
»Im Jal’dara kann den Kindern nichts passieren«, erklärte der Wächter. »Gefahr droht ihnen nur von außen. Besser gesagt, von den Besuchern.«
»Aber … Sie sind doch unsterblich, oder?«, vergewisserte sich Rey. »Ich meine, sollte jemand so verrückt sein, ein Kind mit einem Schwert anzugreifen, könnte man ihm vermutlich nichts anhaben, oder?«
»Ihr könntet ihm keinen körperlichen Schaden zufügen«, bestätigte Nol. »Die Gefahr liegt woanders: Ihr könntet es dazu verleiten, in die Unterwelt hinabzusteigen.«
Der Wächter wandte sich bei der Antwort nicht einmal um. Die Erben begannen sich zu fragen, wo er sie hinführte. Die Wiese schien der Mittelpunkt des Tals zu sein, und sie waren mittlerweile ein gutes Stück hinter Nol zurückgeblieben.
Plötzlich stieg ihnen ein seltsamer Geruch in die Nase. Zunächst war es nur ein flüchtiger Eindruck, der jedoch bald immer stärker wurde. Schließlich überlagerte ein intensiver Modergeruch den Blumenduft der Gärten. Da sie in der Bibliothek von Romin hinabgestiegen waren, kam ihnen der Gestank bekannt vor. Er weckte unangenehme Erinnerungen.
»Hier ist es«, rief Nol zu ihnen herüber und zeigte auf eine Stelle am Boden, die ihren Blicken verborgen war. »Hier sind Eure Vorfahren in die Unterwelt hinabgestiegen. Durch dieses Loch.«
Plötzlich hatten sie es alle sehr eilig.
Nol stand in einer etwa zwei Schritte breiten Vertiefung im Boden. Er wies auf eine Stelle zu seinen Füßen, aber die Erben hatten bereits entdeckt, was er ihnen zeigen wollte. Sie konnten den Blick nicht abwenden, als könnte jeden Moment ein Ungeheuer aus der Dunkelheit emporsteigen.
In
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