Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel
der Mitte der Kuhle klaffte ein Loch, das halb zugewuchert war: der Eingang zu einem unterirdischen Felsgang. Der Modergeruch kam eindeutig aus dieser Öffnung. Lana musste husten und hielt sich schließlich ein Tuch vor die Nase.
»Dieses kaum fünf Fuß hohe Loch soll der Eingang zum Jal’karu sein?«, fragte Rey skeptisch. »Dieser Margolinbau führt in die Unterwelt, in der die Dämonen heranwachsen?«
»Das ist nur einer von mehreren Zugängen«, sagte Nol.
»Und bitte denkt daran, dass dieser Name im Tal nicht ausgesprochen werden sollte. Im Interesse der Kinder, aber auch zu Eurer eigenen Sicherheit. Vor allem hier nicht.«
»Ist es gefährlich?«, fragte Bowbaq ängstlich. »Oder einfach nur unhöflich?«
»Es ist gefährlich. Niemand weiß, welche Kreatur Eurem Ruf folgt. Vielleicht ist eine von ihnen bereits heraufgekommen und lauert in der Dunkelheit.«
Léti und Rey warfen sich einen verschwörerischen Blick zu, traten vor das Loch und versuchten, in der Finsternis etwas zu erkennen. Nach drei friedlichen Tagen im Jal’dara schlugen sie jede Vorsicht in den Wind.
»Léti, komm zurück«, rief Corenn besorgt, doch sie stieß auf taube Ohren.
»Wie viele von solchen Eingängen gibt es denn?«, fragte Lana.
»Acht. Sie alle führen in die Unterwelt. Eure Vorfahren haben diesen Zugang benutzt.«
Grigán zog sein Krummschwert, zwängte sich an Léti und Rey vorbei und starrte in die Finsternis. Viel erkennen konnte er nicht.
Ein Schwall verpesteter Luft schlug ihnen entgegen, und ihre Mägen rebellierten. Der Gang schien in leichtem Gefälle in die Tiefe zu führen, aber genau wissen konnte man das nur, wenn man sich einige Schritte hineinwagte, und dazu war Grigán noch nicht bereit. Der Tunnel war kaum fünf Fuß hoch, wie Rey richtig geschätzt hatte, und um einiges schmaler.
Wenn Nol die Wahrheit sagte - und bisher hatte er das immer getan -, mussten ihre Vorfahren die Unterwelt mit eingezogenem Kopf und im Gänsemarsch betreten haben. So etwas würde selbst dem mutigsten Kämpfer Angst einjagen.
»Reyan, kommt zurück«, flehte Lana, als der Schauspieler in den Gang lugte und sich keinen Deut um die Gefahr scherte.
»Du auch, Léti«, befahl Corenn. »Es reicht. Meister Grigán?«, fragte sie etwas freundlicher.
Widerwillig gaben die drei Kämpfer ihren Beobachtungsposten auf und kehrten zu ihren Freunden zurück. Grigán rammte sein Krummschwert in den Boden, setzte sich mit einer geschmeidigen Bewegung daneben und ließ den Eingang zum Jal’karu nicht aus den Augen.
»Nun gut«, sagte er entschlossen. »Erzählt Ihr uns nun endlich die Geschichte von diesem Mistkerl Saat?«
Nol setzte sich dem Krieger im Schneidersitz gegenüber, und die anderen gesellten sich zu ihnen. Das Herz schlug ihnen vor Aufregung bis zum Hals. Der Ewige Wächter würde ihnen das Abenteuer ihrer Vorfahren erzählen.
Königin Chebree sah zu, wie die Hellseherinnen in Trance fielen. Man munkelte, die Thalittinnen seien Mutter und Tochter, doch das war nur schwer zu glauben, denn beide Frauen waren uralt und sahen einander überhaupt nicht ähnlich. Auch ihre Bewegungen waren nicht aufeinander abgestimmt. Sie saßen an dem niedrigen Tisch und wiegten ihre Oberkörper ruckartig vor und zurück.
Chebree beschloss abzuwarten und auf ihr Können zu vertrauen. Der Ruf der beiden Thalittinnen reichte bis nach Wallos, auch schon vor dem Krieg. Die Barbarenkönigin, Emaz des Gottes Sombre und Lieblingsmätresse des hohen Dyarchen, hatte viel Gold ausgegeben, um die Frauen ausfindig zu machen und herbringen zu lassen. Endlich saßen sie vor ihr. Endlich würde sie Antworten auf die Frage bekommen, die sie quälte.
Nun stimmten die Hellseherinnen eine Art unmelodisches Gebet an, doch auch ihr Gesang stand nicht im Einklang. Er sollte die Aufmerksamkeit der Götter erregen, und Chebree zweifelte keinen Augenblick daran, dass der Lärm, den die beiden machten, die gewünschte Wirkung haben würde. Ihr Gekreisch würde jeden Gott aus dem tiefsten Schlaf reißen.
Vermutlich lauschte auch Sombre ihrem Gesang, und dieser Gedanke tröstete die Barbarenkönigin. Sie war seine Emaz, seine Hohepriesterin, Sombres Vertreterin in der Welt der Sterblichen. Der Bezwinger würde sich ihrer Fragen annehmen.
Die Seherin zu Chebrees Linken verstummte, und nach ein paar weiteren schiefen Tönen schwieg auch ihre Gefährtin. Die Frauen ergriffen nun je vier Elfenbeinwürfel, die sie sich mit einer Geschicklichkeit zwischen
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