Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk
interessiert sei. Sie faszinierte ihn, und trotz seines jungen Alters entging ihm nicht, welche Gefühle er für sie hegte. Allein bei der Aussicht, sie zu sehen, wurde er schon aufgeregt, und jeden Tag erhielt er neue Gelegenheiten dazu. Er freute sich und wartete voller Sehnsucht auf diese Momente.
Nie fragte er sie nach dem Gespräch zwischen ihr und ihrem Vater in jener ersten Nacht. Je länger er darüber nachdachte, desto unbehaglicher fühlte er sich. Zum einen hatte er ihr nachspioniert, und das sollte sie nicht erfahren. Auch fiel ihm keine Möglichkeit ein, das Thema anzuschneiden, ohne dass es aussah, als würde er sie aushorchen. Schließlich war es nicht seine Sache zu fragen, was sie für ihren Vater tat. Im besten Fall würde es für sie nur unangenehm sein, denn alles, was sie ihm sagte, stellte einen Verrat ihrem Vater gegenüber dar. Natürlich wollte er wissen, wie sie ein Luftschiff steuern konnte, obwohl sie blind war, aber, so entschied er, sie musste es ihm von sich aus erzählen.
Er hatte viel Zeit, sich seiner Zuneigung zu ihr hinzugeben. Tagwen litt unter Luftkrankheit und erschien selten auf Deck. Er sei ein Zwerg, verkündete er säuerlich, und er gehöre auf festen Boden. Khyber hatte ihr Druidenstudium wieder aufgenommen und verbrachte die meiste Zeit mit ihrem Onkel. Pen sah die beiden häufig, wie sie auf Deck saßen, die Köpfe zusammensteckten und sich unterhielten. Sie machte Notizen und gestikulierte wild, wenn sie versuchte, seine Lektionen zu verstehen. Einen Großteil der Zeit blieben sie in ihrer Kabine, wo sie freier sprechen konnten als in Gegenwart der Fahrenden. Khyber wirkte jetzt noch angespannter als sonst, vielleicht, weil ihr bewusster war, welche Verantwortung sie eigentlich auf ihre Schultern geladen hatte.
Auch Pen dachte viel darüber nach, warum er überhaupt hier war, an Bord einen Luftschiffes auf dem Weg ins Charnalgebirge und in ein Land, das nur wenige Menschen je erkundet hatten. Längst stellte er sich nicht mehr die Frage, ob er das Richtige tat oder nicht, er dachte auch nicht mehr über die Motive des Königs vom Silberfluss nach. Inzwischen akzeptierte er es einfach und konzentrierte sich stattdessen darauf, wie er die Sache heil durchstehen konnte. Wenn er versuchte, sämtliche Zusammenhänge zu erfassen, überwältigte ihn die Geschichte. Man erwartete so viel von ihm, und er hatte keinen Grund anzunehmen, dass er diesen Erwartungen würde gerecht werden können. Lieber ließ er die Dinge eines nach dem anderen auf sich zukommen. Schritt eins war, der
Galaphile
und Terek Molt zu entfliehen. Das war gelungen. Schritt zwei war, Emberen zu erreichen und Ähren Elessedil um Hilfe zu bitten. Dieses Kapitel war ebenfalls abgeschlossen. Als dritten Schritt waren sie nun zu dieser Reise nach Osten aufgebrochen.
Ab Schritt vier stellte sich ihm alles jedoch nicht mehr so klar dar. Zwar war es ihr Ziel, den Tanequil zu finden, aber er hatte das Gefühl, dass noch einige Schritte dazwischen lagen, die sich ihm nicht ohne weiteres eröffnen würden. Nur mit der Zeit würde er klüger werden, und es brachte gar nichts ein, zu weit in die Zukunft zu planen. Das konnte er durchaus akzeptieren, allerdings milderte das nicht seine Angst vor dem Ausgang der Geschichte.
In der Zeit, die er mit Cinnaminson verbrachte, fühlte er sich befreit. Das war eine Schwäche, eine, die er nur schwer rechtfertigen konnte, betrachtete man die Wichtigkeit seiner Aufgabe. Aber er brauchte auch Ablenkung von seinen Zweifeln und Ängsten, und dabei half es ihm, wenn er seine Gedanken auf Cinnaminson richtete. Natürlich war er nicht so töricht anzunehmen, seine Verliebtheit würde etwas Ernsthafteres nach sich ziehen. Wenn sie ihr Ziel erreichten und von Bord gingen, wäre alles vorbei. Andererseits brachte es nichts ein, solche Gedanken zu hegen. Besser ließ man ein wenig Licht in einem abgedunkelten Raum brennen, ehe man sich Sorgen machte, was geschehen würde, nachdem es erloschen wäre.
Am dritten Tag saßen sie mit dem Rücken zur Pilotenkanzel und Gar Hatch. Pen gab vor zu schreiben und Cinnaminson, dem zuzuhören, was er vorlas.
»Kannst du mir verraten, wohin ihr gehen werdet?«, fragte sie leise.
»Ich kann dir alles sagen, Cinnaminson.«
»Nein, nicht alles. Du weißt, dass du das nicht kannst.«
Er nickte vor sich hin. Manche Dinge verstand sie besser als er selbst. »Wir wollen ins Charnalgebirge, wo wir nach den Ruinen einer alten Stadt suchen. Ähren möchte
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