Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk
Sinkflug auf die Ebene zu, wo Gar Hatch Schutz suchte. Der Kapitän musste das Schiff runterbringen, sonst würde es aus dem Himmel gerissen. Allerdings war es nicht so einfach, einen sicheren Platz zu finden, wenn man kaum mehr ein Dutzend Meter weit klare Sicht hatte.
Inzwischen waren die Segel eingeholt, also eilte der Junge nach vorn, um die Ankertaue und die Lukendeckel zu sichern. Es regnete in Strömen, und Pen war binnen Sekunden durchnässt. Er trug seinen Regenmantel nicht, und Hose und Hemd boten keinen Schutz gegen dieses Wetter. Dennoch ignorierte er die Nässe, kniff die Augen zusammen, weil ihm das Wasser hineinlief, und mühte sich ab, seine Aufgabe zu erledigen. Das Luftschiff wurde von der Wucht des Windes hin- und hergeworfen und bewegte sich weiterhin abwärts, wie ein bedrängter Vogel auf der Suche nach einem Schlafplatz.
Pen hatte fast den Bug erreicht, als plötzlich seine Sicherheitsleine wie eine Peitsche an ihm vorbeischoss. Er brauchte einen Augenblick, bis er begriff, was geschehen war. Irgendwie hatte sie sich losgerissen, und sein Zögern kostete ihn den Halt, als der Ruck der Leine, die über Bord gegangen war, ihn von den Füßen holte. Er landete auf dem Rücken und griff nach irgendetwas, an dem er sich festhalten konnte, während er unaufhaltsam auf die Kante zurutschte. Ihm blieb noch Zeit, sich zu fragen, wie die Leine sich gelöst hatte, ehe er über den Rand ging.
Er wäre wohl zu Tode gestürzt, hätte er nicht einen der Pfosten erwischt, wobei ihm beinahe die Arme ausgerissen worden wären. Hilflos hing er über die Seite, die Beine baumelten im Leeren, und die Arme waren bis zum Zerreißen gespannt. Für einen Moment glaubte er, sich nicht mehr halten zu können. Das Luftschiff ruckte und schwankte, wenn der Wind es packte, und er hatte das Gefühl, loslassen zu müssen. »Penderrin!«, hörte er Gar Hatch schreien.
Er blickte über das Deck durch den Regen zu dem Fahrenden, der in der Pilotenkanzel stand und in beiden Händen eine aufgewickelte Leine hielt. Nachdem er den Jungen auf sich aufmerksam gemacht hatte, warf er ihm die Leine zu. Sie blieb keine zwei Meter von Pen entfernt über der Reling hängen. Mit ein paar zweihändigen Schwüngen brachte der Kapitän sie voran, bis sie Pen über die Schulter fiel.
»Pack zu!«, schrie der große Mann.
Der Junge zögerte. Wie hatte sich seine Sicherheitsleine lösen können, wenn nicht jemand den Verschluss geöffnet hatte ? Derjenige, der dazu am ehesten die Möglichkeit gehabt hatte, bot ihm nun seine Hilfe an. Wenn er Pens Tod wollte, brauchte er nur zu warten, bis Pen die Leine ergriff, und dann loslassen. Damit würde Pen endgültig über Bord gehen. Hatte Gar Hatch tatsächlich die Absicht? War er wütend genug wegen Cinnaminson, um Pen zu töten?
Das Luftschiff erbebte heftig, und Gar Hatch wurde gegen eine Seite der Kanzel geworfen. »Beeil dich, Bursche!«, brüllte er.
Pen ließ erst mit einer und dann mit der anderen Hand den Pfosten los und packte das Seil, das der große Mann ihm zugeworfen hatte. Während er nun daran hing und ihn sonst nichts mehr vor dem Absturz bewahren konnte, beschlich ihn das ungute Gefühl, er habe einen schweren Fehler gemacht und würde mit dem Leben dafür bezahlen.
Dann begann Gar Hatch an der Leine zu ziehen, und Pen spürte, wie er nach oben und wieder Richtung Deck gehoben wurde. Wenig später lag er flach auf dem Holzboden und kroch mit immer noch klopfendem Herzen auf die Pilotenkanzel zu.
Gar Hatch streckte ihm die Hand über die Seitenwand der Kanzel entgegen, zog ihn mühelos herauf und funkelte ihn mit seinen dunklen Augen an. »Na also. Wieder in Sicherheit! Das war aber knapp, Penderrin! Was ist denn mit deiner Leine passiert? Hast dich vergewissert, ob sie am Mast festgemacht war, ehe du sie dir umgeschnallt hast?«
Pen musste dieses Versäumnis eingestehen. »Nein, ich dachte, das wäre nicht notwendig.«
»An Bord eines Luftschiffs ist Hast ein gefährlicher Feind«, erklärte ihm der Kapitän und schob sein Kinn in den Bart. »Bei jedem Schritt muss man genau aufpassen, und vor allem in einem derartigen Wetter. Glücklicherweise habe ich auf dich geachtet, Bursche.« Er kniff die Augen zusammen. »Und natürlich habe ich glücklicherweise auch entschieden, dass du die Mühe wert bist, dich zu retten. Ein anderer Mann mit einer anderen Tochter hätte sich vielleicht anders verhalten. Vergiss das nicht.« Er gab Pen einen ruppigen Stoß. »Runter mit dir zu den
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