Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
„Ja, der Junge ist wirklich etwas ganz Besonders.“ Er erzählte den Gästen Hatiks Geschichte. Als die Speisen gebracht wurden, ließ Pepi noch mehr Öllämpchen anzünden. Bisher hatte ihn die Höflichkeit davon abgehalten, die Herrin der Fremdlinge zu mustern. Jetzt saß er ihr direkt gegenüber, sodass er ihr genau ins Gesicht schauen konnte. Sie erwiderte seinen Blick. Pepi merkte gar nicht, dass er sich vor Verblüffung erhoben hatte. Die Frau nickte. „Ja, du hast mich schon einmal gesehen. Es ist keine Täuschung.“
„Du bist Hatiks Schutzgöttin“, flüsterte der Offizier verblüfft.
„Vielleicht bin ich auch das. Ich bin Neri, eine Atlan, in die Welt der Menschen gekommen, um andere, wie mich, zu finden.“
Pepi hatte sich wieder gesetzt. Dem erfahrenen Offizier, der so manche Schlacht siegreich geschlagen hatte, zitterten vor Aufregung die Hände. Er hoffte inständig, dass Hatik bald erscheinen würde. Dieser hatte erst einmal, wie immer, seinen Rappen mit allem Nötigen versorgt. Frisch gewaschen und fröhlich erschien der Junge bald darauf bei Tisch. Er lächelte in die Runde, nahm neben Pepi Platz, ohne dessen inneren Druck zu bemerken. Hatik ließ es sich schmecken. Genüsslich knabberte er Gebäck, um sich dann Datteln und Feigen zuzuwenden. Langsam entkrampfte sich auch sein Gönner wieder. Stück für Stück entwickelte sich eine angeregte Unterhaltung. Pepi empfand die Gesellschaft der feinsinnigen, gebildeten Damen und Herren als sehr angenehm. Die Gäste verfügten über ein enormes technisches Wissen. Ihn erstaunte auch die Tatsache, dass sie, obwohl sie dem Tode so nahe gewesen und schon die ganze Nacht ohne Ruhe waren, keinerlei Müdigkeit zeigten. Im Gegensatz zu Hatik, der sich entschuldigte und mit bleiernen Beinen zu Binti wankte. Noch bevor sein Körper ins Stroh fiel, war er eingeschlafen. Auch in Pepis Haus kehrte bald Ruhe ein. Er hatte seinen Gästen mehrere Zimmer zur Verfügung gestellt und schlief selbst in seinem Arbeitsraum. Wirre Träume suchten ihn heim. Früh konnte er sich an keinen mehr erinnern. Er war nur noch neugierig, seine Gäste bei Tageslicht zu sehen. Hatik verspätete sich heute. Pepi sah es ihm gerne nach. Der Kleine hatte schließlich am vergangenen Tag Schwerstarbeit geleistet. Die Atlan hatten das Haus schon zu einem Morgenspaziergang verlassen. So gelangten sie auch bald in die Nähe der Stallungen. Neugierige Augen folgten ihnen natürlich aus jeder Hütte. Die Soldaten, die unterwegs waren, grüßten den hohen Besuch ehrerbietig. Freundlich antworteten die Fremden. Norik, einer der Atlan, schaute durch das Fenster des Stalles. Er winkte die anderen herbei. Ihr kleiner Lebensretter schlummerte noch friedlich zu Füßen seines Rappen, der seinen Herrn bewachte. Nur das Spiel der Ohren verriet, dass der große Hengst hellwach war. Lautlos zogen sich die Beobachter zurück. Am Brunnen trafen sie auf einen Soldaten, der eine dicke, blaue Beule am Arm zu kühlen versuchte. Es war Rafi, einer der Männer, die das flüchtige Kamel niedergetrampelt hatte. Neri setzte sich zu ihm auf den Brunnenrand. Sie nahm seinen Arm und betrachtete kurz die Blessur. Rafi war vollkommen überrascht. Noch nie hatte sich eine solch hochgestellte Persönlichkeit für einen einfachen Soldaten interessiert. Die Frau legte beide Hände um die schmerzende Stelle, dann schloss sie die Augen. Der Soldat spürte ein seltsames Kribbeln im ganzen Körper. Mit, vor maßlosem Staunen, offenem Mund sah er, wie die blaue Färbung mitsamt der Beule von seinem Arm verschwand. Die Frau stand auf. „Besser so?“ Rafi nickte heftig. Er war unfähig, zu sprechen. Wie gelähmt sah er der wunderschönen Frau nach, die ihn einfach so geheilt hatte. Da es genügend Beobachter gegeben hatte, wusste nach ein paar Minuten jeder in der Oase, was geschehen war. Tiefe Verehrung hatte den Soldaten erfasst und griff langsam auf die anderen über. Das konnte nur eine Göttin in Menschengestalt sein.
Endlich war auch Hatik wach geworden. Er lief, über das ganze Gesicht strahlend, seinem neuen Freund Safi entgegen. Der streckte ihm beide Hände hin und schwenkte Hatik im Kreis herum. „Na, mein Kleiner, gut geschlafen?“
„Aber ja, wie ein Stein. Beeilen wir uns, mein Herr wartet schon mit dem Frühstück.“
Die Neuigkeit hatte, eher als die Gäste, das Haus von Pepi erreicht. Ehrerbietig begrüßte er sie. Als Hatik vorbei schlüpfte, streichelte er ihm liebevoll über den Kopf. Nur Safi hatte
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