Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
sollte, vorangetrieben und ihrer aller Schicksal damit besiegelt. Wenn die Pflanze nicht entweder in den Händen des Königs oder in denen des Prinzen war, während sie eine Frucht trug, würde Falkins einziges Druckmittel verloren sein.
Sie lehnte sich zurück und stöhnte. Jemand an Bord wusste, was geschehen würde. Er war draußen angekettet und wartete geduldig darauf, dass sie ihn brauchte. Zur Hölle mit ihm! Er hatte doch von Anfang an gewusst, dass sie sich früher oder später würde an ihn wenden müssen. Es nagte an ihrer Seele, auch nur daran zu denken, ihn um Hilfe zu bitten, aber er war der Einzige, der über die Antworten verfügte, die sie benötigte. Er hatte seinen Preis schon genannt. Nun konnte sie sich den Luxus nicht länger leisten zu wählen, ob sie ihn zahlen wollte oder nicht.
Kapitel 25
Rasch stieg der Mond am Himmel auf Und hielt doch niemals an; Und neben seinem sanften Lauf Ein Stern schien dann und wann.
Samuel Taylor Coleridge
DIE GELEGENHEIT LIESS lange auf sich warten. Falkin verließ die Kajüte, nachdem sie ein frisches Leinenhemd angelegt hatte, in der festen Absicht, McAvery dazu zu bringen, alles zu gestehen. Bevor sie ihn auch nur erreichen konnte, forderte Angus ihre Aufmerksamkeit ein. Zwei Männer hatten sich in der Takelage verheddert, und ein Segel war durch ihr Gezappel zerrissen. Falkin stürzte sich auf die vor ihr liegende Aufgabe; es dauerte nicht lange, die Männer zu befreien und zurück aufs Deck zu bringen. Dieser Arbeit folgte die nächste auf dem Fuße, und bald bemerkte sie, dass der Tag ebenso vorbeiraste wie alle anderen. Plötzlich war es Nachmittag. Der Himmel verdunkelte sich und wurde golden und flammenfarben, als die Sonne sich dem Meer näherte.
»Land in Sicht!«, ertönte der Ruf von oben. In der Tat wurde die gerade Linie des Horizonts, wie Tom vorhergesagt hatte, vom schwarzen Buckel einer Insel ganz durchbrochen: Pecheta. Falkin streckte die Arme und Schultern und genoss den warmen Schmerz, der von einem harten, gut bewältigten Arbeitstag sprach. Sie hatte es schon vermisst, nur Seemann zu sein. Ein paar Stunden lang war ihr Verstand von nichts als der Arbeit auf dem Schiff erfüllt gewesen – keine Magie, keine Henkersschlinge, kein McAvery. Sie fühlte sich wie neugeboren und sehr froh, dass sie nicht früher zu McAvery gekommen war. Sie war jetzt in einer weit besseren Verfassung, ihn zu verhören, als sie es heute Morgen gewesen war.
»Nachtwache an Deck!«, rief sie. »Tagwache unter Deck. Kümmert euch um euer Abendessen.« Ein paar der Männer jubelten ihr zu, und die übrigen lächelten und gingen zur Luke hinüber, aus der die Nachtmannschaft, darunter Bardo, gerade an Deck kletterte. Er schlurfte übers Deck auf Falkin zu.
»n’ Abend, Kapitän«, sagte er. »Der Rote Tom fühlt sich nicht so gut, also habe ich einen anderen Mann ans Ruder geschickt. Natürlich nur, wenn’s dir recht ist?«
»Was ist mit ihm los?«, fragte sie. »Sollte ich Jaques runterschicken, damit er sich um ihn kümmert?«
Bardo schüttelte den Kopf. »Schon erledigt. Ich glaube, er hat vielleicht ein Stück verdorbenes Fleisch gegessen oder so was. Morgen wird’s ihm wieder besser gehen.«
»Du bist ein guter Kerl, Bardo«, sagte sie und klopfte ihm auf die Schulter. »Du warst mir die ganze Reise über eine große Hilfe. Und kannst dir auch sicher sein, dass ich Binns davon erzählen werde, gleich wenn wir ihn zurückhaben.«
Er zog den wieselartigen Kopf ein und rieb sich unruhig immer wieder die Hände. »Danke. Es ist sehr nett von dir, so was zu sagen.«
»Ganz und gar nicht, Bardo.« Sie gähnte und reckte sich noch einmal. »Sieht aus, als ob ich mich auch mal um mein Abendessen kümmern sollte, was?«
»Ich hab dir eigentlich schon was in die Kajüte schicken lassen.«
»Was täte ich nur ohne dich, Bardo? Du räumst hinter mir her, schickst mir Essen …« Sie grinste ihn an. »Du bist ein wahrer Segen.«
Ein seltsamer Ausdruck huschte einen Augenblick lang über sein Gesicht und wurde dann von seinem üblichen servilen Lächeln abgelöst. »Gern geschehen. Schönen Abend noch.«
Sie spazierte über das Deck auf ihre Kajüte zu. McAvery war unter der Leiter hervorgekrochen, sobald sich die Sonne wegbewegt hatte. Er knabberte gerade an einem Brotkanten und hielt einen Becher in der Hand. Dann hob er ihn in ihre Richtung.
»Habt Ihr den Tag genossen? Wieder auf dem Schiff herumzuklettern wie ein einfacher
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