Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
Nicht wenn du es verhindern kannst.«
Bardos Gesicht rötete sich. »Und was hat Bardo verdient? Ich hatte schon vier Jahre lang unter Binns gedient, war durch Kaperfahrten und Stürme hindurch an seiner Seite geblieben, hatte Blut vergossen und war in einer Saison verdammt nochmal fast verhungert. Aber was kam dann?« Er gab ihr einen Klaps auf den Hintern; jetzt, da sie gefesselt und waffenlos war, nahm er sich größere Vertraulichkeiten heraus. Sein Tonfall durchschnitt die Luft zwischen ihnen wie ein Messer. »Du. Eine kleine Schankmagd verschüttet Bier, und plötzlich heißt es, leb wohl, Bardo, hallo, neue Maatin!« Er rammte den Handballen plötzlich gegen das Holz neben ihrem Gesicht und beugte sich nahe heran. Sein Atem stank faulig und nach altem Rum. »Ich hätte nach ihm Kapitän werden sollen. Und jetzt werde ich das auch!«
Sie starrte ihn an; ihre Wange begann dort, wo sie an das geteerte Holz gepresst war, zu schmerzen. Er war nicht mit McAvery verbündet. Cazador hatte ihm nicht erzählt, warum er sie jagte, nur, dass sie ihm Geld wert war. Bardo wusste nicht, was sie noch war, außer Piratin und sein Opfer zu sein. Ihr Geheimnis gehörte immer noch ihr.
Bardo mochte vielleicht rachsüchtig und zornig sein, aber seine Intrige ging nicht tiefer. Er wollte das Kommando haben. Der arme Bardo hatte auf nichts sonst in seiner Umgebung geachtet, weil er so darauf konzentriert gewesen war, Kapitän zu werden. Er hatte nicht weiter als bis zu seiner eigenen Nasenspitze vorausgeblickt. In seiner Hast, ihr das Schiff abzunehmen, hatte er sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Mehrheit der Mannschaft auf seine Seite zu bringen, und hatte nicht tief genug nachgeforscht, um die Kenntnis zutage zu fördern, die seinen Griff um die Thanos hätte verstärken können. Er musste angenommen haben, dass Burk und Volga ihm helfen würden, mit jeglichem Widerstand fertig zu werden. Nach allem, was sie von den beiden gesehen hatte, hätten sie Bardo wahrscheinlich über Bord geworfen und wären mit der Thanos davongesegelt. Aber Bardo schien das nicht einmal zu ahnen. Sie hatte die Götter um Gunsterweise gebeten. Vielleicht war das ihre Art, ihre Gebete zu erhören. Das war zwar nicht viel, würde aber reichen müssen. Den Rest musste sie allein zustande bringen. Wenn sie dieses Abenteuer überlebte, dann – das nahm sie sich vor – würde sie mit den Göttern ein langes, ernstes Gespräch über ihre Vorgehensweise und ihre Meinung über sie führen.
McAvery war ungewohnt still. Seine Brustmuskeln waren angespannt und wurden bei jedem Atemzug gezerrt, aber es gelang ihm, in seiner Gefangenschaft vollkommen gelöst auszusehen. Die Lage war auf eine aberwitzige Art beinahe komisch. Der Dieb baumelte von seinen Händen, und sie umschlang den Mast wie einen Liebhaber. Und Bardo, der kleine, rattengesichtige Bardo, der perfekte Schiffsverwalter, hegte den Traum, ein mächtiger Piratenkapitän zu werden. Wenn Falkin nicht so eng gefesselt gewesen wäre, dass sie sich kaum rühren konnte, hätte sie vielleicht sogar gelacht.
Bardo wandte sich von ihr ab und stolzierte übers Deck zur Leiter. Falkin verrenkte den Kopf, um ihn zu beobachten. Er kletterte hoch, um sich neben Tom am Steuerrad aufzubauen. Dann stemmte er die Hände in die Hüften und stellte sich in Positur; Falkin nahm an, dass seine Haltung unternehmungslustig aussehen sollte, aber angesichts seines kleinwüchsigen Körpers wirkte sie nur lächerlich. Er war noch nicht einmal ganz so groß wie das Steuerrad. Falkin ertappte sich dabei zu wünschen, er würde einen Schritt näher herantreten und von den Speichen getroffen werden, während sie sich drehten.
»Pssst!«
Wieder warf sie einen Blick zu McAvery. Er hatte endlich aufgehört, sie anzustarren, und blickte mit zusammengekniffenen Augen zum dunkelnden Horizont hinüber.
»Was?«, flüsterte sie.
Er wandte sich ihr mit fragender Miene zu.
»Irgendwelche guten Einfälle?«, beharrte sie.
»Du bist der Kapitän.«
Sie rollte die Augen. »Wenn du mir nichts zu sagen hast, warum zischst du mich dann an?«
»Das war ich nicht.« Er sah wieder nach vorn. »Er war’s.«
Dreso lehnte ein paar Fuß entfernt am Rumfässchen und pulte mit der Spitze eines Tafelmessers an seinen Fingernägeln herum. Er schien ganz auf diese Beschäftigung konzentriert zu sein, aber plötzlich griff er nach unten, tätschelte das Fass unter sich und rasselte dann mit dem Becher, der am Fass hing. So, als wolle er ihr
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