Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
er stillhielt. Bardo marschierte zu ihm, nahm seinem Mannschaftsmitglied die Neunschwänzige Katze weg und ließ sie in den Händen tanzen.
»Bewundernswert, dass du ihre Tugend zu retten versuchst! Nicht dass die irgendwas wert wäre.« Die Peitschenschwänze trafen McAverys Brust. Er schrie; in seinen Augen flammte Feuer auf. Bardo trat hinter ihn und ließ die Katze noch einmal fliegen. McAvery drückte den Rücken unter dem Schlag durch.
Sie würden ihn umbringen. Bis zu diesem Augenblick hatte Falkin keine Angst um ihr Leben oder das irgendeines anderen gehabt. Gewiss nicht um das McAverys. Aber noch gestern hätte Falkin auch nicht geahnt, dass Bardo je den Mumm haben würde, selbst eine Waffe zu führen. Oder einen Trupp Männer zu einer Meuterei anzustiften. Gestern hatte es noch so viele Dinge gegeben, die sie nie für möglich gehalten hätte.
»Wirf einen letzten Blick auf ihn.« Bardo holte mit dem Arm aus und hielt inne. »Ich wette, ich kann ihn mit dem Kuss meiner Katze noch schöner machen.« Er schwang die Peitsche in einem langsamen Kreis über seinem Kopf und holte Schwung für einen Schlag in das ungeschützte Gesicht McAverys.
Falkin war die Zeit knapp geworden. McAvery mochte zwar ein Schurke und Dieb sein, aber wenn er starb, dann starb auch Binns. Falkin spannte den Bizeps an und riss die Hände nach unten und zurück. Ihre Muskeln wehrten sich gegen die plötzliche Tätigkeit und verkrampften sich beinahe stechend. Sie schüttelte sich die Arme aus und wirbelte herum, um zum Achterdeck hinüberzusehen.
Ihr Degen war umgefallen und halb aus der Scheide geglitten, quälend fern. Wenn sie dorthin rannte, würde McAvery vielleicht die Augen verlieren. Oder es würde noch schlimmer kommen. Keine andere Lösung. Es ist die einzige Möglichkeit, Kin. Versuch’s einfach. Sie streckte die Hand nach ihrem Degen aus, schürzte die Lippen und pfiff fest hindurch.
Der Ton war so schrill, als würde ein rostiger Nagel aus altem, verzogenem Holz entfernt werden. Ihr Degen erzitterte und löste sich mühsam aus der Scheide. Sie holte Atem und pustete noch einmal. Diesmal glitt der Degen übers Deck und erhob sich in die Luft. Er flog! Sie hatte es geschafft! Sie öffnete die Hand, um ihn aufzufangen, sehr zufrieden mit sich selbst.
Irgendetwas traf ihren Ellenbogen, noch bevor sie die Schreie bemerkte, die rings um sie ertönten. Ein Dolch fiel klappernd aufs Deck, gefolgt von zahlreichen Degen aus allen Richtungen. Falkin schaute hoch, die Augen vor Überraschung weit aufgerissen. Degen und Dolche rissen sich überall auf dem Hauptdeck aus ihren Scheiden los, zum Erstaunen der Piraten. Was hatte sie getan? Sie hatte doch nur gewollt, dass ein Degen zu ihr kam, nur einer. Nicht das Arsenal des gesamten Schiffes. Ein Mann versuchte tapfer, die Klinge seines Degens festzuhalten; Blut tropfte seinen Arm herab, während die Waffe darum rang loszukommen.
Falkins eigene Waffe prallte so heftig in ihre Hand, dass sie brannte. Ein Dolch zischte an ihrem Kopf vorbei. Sie duckte sich, griff ihn aus der Luft und ließ sich von ihrem eigenen Schwung herumtragen.
Henry kam mit aufgeschnürter Hose und ausgestreckten Händen auf sie zu. Er hatte sie angetastet. Nie wieder! Falkin riss ihre Klinge hoch, sprang rasch zur Seite und schlug ihm mit dem Degen beide Arme ab, als wären sie aus Butter. Er fiel hintenüber, kreischte, schlug um sich und verspritzte Blut.
Trotz der Verwirrung, die die lose umherfliegenden Klingen und rufenden Männer ausgelöst hatten, hielt Bardo die Peitsche immer noch in der Hand. Er holte aus und spannte sich an, um einen Schlag nach unten zu führen. Falkin ging die wenigen Schritte und schwang ihren Degen. Die gerade entwaffneten Männer, die McAverys Beine festhielten, jaulten bei ihrem Anblick auf und stolperten davon. Falkin beachtete sie gar nicht. Sie musste Bardo aufhalten.
Sie schob sich zwischen die beiden Männer, hob den linken Arm und wehrte damit die Peitsche ab. Bardo knurrte. Sie holte mit dem Degen aus und setzte die Spitze auf Bardos mageren Bauch.
»Lass die Peitsche fallen«, blaffte sie, »oder mein Degen findet ein neues Zuhause!«
Kapitel 27
Mit tiefem Bug und schiefem Mast Jagt er den Feind in toller Hast Und hat ihn doch noch nicht gefasst …
Samuel Taylor Coleridge
BARDO ZÖGERTE; SEIN GESICHT war wutverzerrt. Er hatte keine Möglichkeit, noch zu gewinnen, nicht wenn ihr Stahl angesetzt war, um ihn aufzuschlitzen. Aber eine
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