Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
dir, Kumpel?«, fragte irgendwer.
»Ja, hatte er!«, rief jemand anders. »Und sie ist da oben auf der Treppe!«
Falkin wartete nicht ab. Sie wirbelte auf der Stufe herum und stürmte den Rest der Treppe hinauf, lief den Flur entlang bis zu dem Zimmer, in dem sie in der vergangenen Nacht geschlafen hatte. Sie schlüpfte durch die Tür und schloss sie sanft, um die Schritte auszusperren, die jetzt die Treppe heraufgetrampelt kamen. Ich habe nur eine Minute , dachte sie aufgelöst. Sie griff sich den Stuhl und klemmte ihn unter den Türgriff. Doch das würde nicht reichen. Das Bett … Sie packte den schweren Rahmen und zerrte kräftig, zog ihn die wenigen Fuß bis zur Tür und schob ihn fest gegen den eingespannten Stuhl. Es war zwar keine großartige Barrikade, aber sie konnte ihr ein paar Sekunden mehr erkaufen.
Sie ging zum Fenster hinüber und schob die Finger in die kleinen Griffe unten am Schieberahmen. Es war mehr als wahrscheinlich, dass sich das Holz schon längst verzogen hatte und das Fenster nun für immer geschlossen hielt. Aber sie musste es versuchen. Bitte, Grace und all ihr Götter, die ihr vielleicht zuhört, so betete sie, ich werde euch einen Zehnten aus jeder Fracht darbringen, die wir von heute an erbeuten, wenn ihr nur dieses Fenster aufgehen lasst . Sie holte tief Luft, atmete dann aus und stemmte sich mit aller Gewalt dagegen. Das Fenster rührte sich nicht.
Trampelnde Schritte kamen näher; die Verursacher hämmerten gegen Türen und brüllten. Falkin ließ den Fensterrahmen los, bewegte die Finger und holte noch einmal Luft. Die Fensterscheiben waren kleine Vierecke; keines allein war so groß, dass sie hätte hindurchkriechen können. Wenn es so weit kam, würde sie alle Scheiben und auch die trennenden Holzleisten zerbrechen müssen. Da war es besser, noch einmal zu versuchen, das Fenster zu öffnen. Kommt schon, ihr Götter , flehte sie, wenn Binns recht damit hatte, dass ihr mich belohnen sollt, dann wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt dafür. Sie schob die Finger wieder in den Schieberahmen und zog.
»Öffnet, im Namen des Königs!« Die Stimme brüllte von der anderen Seite der Tür, so nahe, dass ihr ein Schauer der Furcht über den Rücken lief. Ihre Zeit war um. Hände hämmerten auf die Tür ein. »Sie ist mit irgendetwas blockiert«, meldete jemand.
»Holt den Magus, um die Tür aufzuzaubern«, sagte eine andere Stimme.
»Unsinn«, sagte die erste Stimme, »brecht sie einfach auf.«
Die Tür aufzaubern … Konnte es so einfach sein? Falkin rieb sich die gemarterten Hände. Sie hatte so etwas noch nie versucht, aber jetzt war auch ein so guter Zeitpunkt wie noch niemals zuvor. Sie begann, mit den Fingern auf den Fensterrahmen zu klopfen, im Takt eines Liedes, an das sie sich vage erinnerte. Das vertraute Kribbeln verschaffte ihr eine Gänsehaut am Rücken. Sie wusste nicht, ob es so funktionierte, wie sie wollte, aber … irgendetwas geschah.
»Brecht endlich diese Tür auf!«, bellte draußen jemand.
Keine Zeit mehr. Falkin schloss die Augen, schob die Finger wieder in die Griffe des Schieberahmens und zerrte; die Haut ihrer Hände wurde weiß, ihre Schultern brannten vor Anstrengung. Das Fenster flog auf, glatt wie Öl, und prallte beinahe ans obere Ende des Fensterrahmens.
Falkin drehte sich alles im Kopf, aber sie hatte keine Zeit, das Schwindelgefühl zum Erliegen kommen zu lassen. Sie kletterte aufs Fensterbrett und blieb lange genug sitzen, um den Abstand zu dem darunterliegenden Dach abzuschätzen. Gute zehn oder zwölf Fuß, so nahm sie an, und sie würde wahrscheinlich geradewegs durchs Dach plumpsen und auf dem Fußboden des erstaunten Kaufmanns landen, so dass sie sich die Beine bräche und leicht zu fangen wäre.
Hinter ihr krachte das dünne Holz der Tür unter dem Anprall. Nun war es aber an der Zeit zu gehen. Falkin streifte Binns’ Bündel ab, schlang ihren Arm jedoch fester um das Logbuch, das sie noch immer daruntergeklemmt hatte. Das würde Binns brauchen, wenn sie ihn erst befreit hatten. Sie stemmte die Füße platt gegen die Wand hinter sich und warf sich in die Luft.
Kapitel 7
Was, wenn die rachevolle Vorsehung, Stark und vergeltend nun uns wissen lässt, Was uns’re Wort’ bedeuten, und uns zwingt, Auch uns’rer Taten wüstes Leid zu fürchten?
Samuel Taylor Coleridge
»VERDAMMT NOCHMAL!«, heulte sie.
Sie wusste nicht, ob sie dem Kaufmann unten dafür dankbar sein sollte, dass er solch ein stabiles Gebäude
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