Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
Dreck.
»Gut, dass du gefrühstückt hast, so wie man es dir geraten hat«, sagte eine schleppende Stimme hinter ihr. Ein kleiner, vierschrötiger Mann in einem kohlschwarzen Umhang trat aus den Schatten hervor und schlenderte gewollt beiläufig auf sie zu. Er hatte ein rundes Gesicht, aschblondes Haar und einen dünnen Bart, der ihm das Aussehen eines Knaben verlieh, der sein Bestes tut, männlich zu erscheinen. Falkin hatte ihn nicht besonders eingehend betrachtet, als sie vorhin bemerkt hatte, wie er mit dem anderen Mann im Schankraum des Wirtshauses geflüstert hatte, aber sie erkannte ihn dennoch wieder. Der Würfelspieler.
»Was verloren?« Er grinste und hob die linke Hand aus den Stofffalten hervor. Ihr Degen baumelte von seinem Daumen.
Falkin trat einen Schritt zurück und versuchte, außer Reichweite der Klinge zu bleiben. »Du solltest lieber nicht damit spielen«, sagte sie. »Du könntest dir ein Auge ausstechen.«
»Ich bin hier doch wohl nicht derjenige, der gefährliche Spielchen spielt, oder?«, sagte er. Er drehte die Hand so plötzlich, dass das Heft an seiner Handfläche lag, rammte die Degenspitze dann in den Matsch und trat zwischen die Waffe und ihre Besitzerin. Hinter ihm wippte der Griff wie ein Metronom, erst sichtbar, dann wieder nicht. »Wir müssen keine Feinde sein, du und ich.«
Er hatte einen Begleiter gehabt, als sie ihn vorhin gesehen hatte. Wo also war jetzt der andere? Falkin wich noch einen Schritt zurück; sie fühlte sich so gespannt wie die Saiten der Harfe eines Barden und doppelt so gut festgehalten. »Müssen wir auch nicht. Ich habe im Augenblick schon mehr als genug Feinde.«
Das Grinsen wich aus seinem breiten Gesicht. Er schlug den Umhang beiseite, zog seinen eigenen Degen und schwenkte ihn vor ihr. »Dann schlage ich vor, dass du mir sagst, wo der Treffpunkt ist.«
Treffpunkt? Sie hatte ihn für einen königlichen Agenten gehalten, der hier war, um sie zusammen mit ihrem Kapitän in Gewahrsam zu nehmen. Offensichtlich war er aber keiner. Vielleicht war er ein Meuchelmörder, der nur frustriert war, dass ihm sein Opfer entkommen war. Was er auch war, er musste sie mit irgendjemand anderem verwechseln. Sie hatte jedoch keine Zeit, hier herumzustehen und sich mit ihm zu streiten, wer er auch sein mochte.
»Der Treffpunkt?«, fragte sie heiter. »Ich war gerade auf dem Weg dorthin. Wir versammeln uns in einer Stunde an …« Sie hielt inne und zermarterte sich das Gehirn, um sich einen Ort einfallen zu lassen, der im Verhältnis zu dem, den sie eigentlich erreichen wollte, am anderen Ende der Stadt lag. »… der Werft. Aber ich habe noch etwas zu erledigen, also nehme ich jetzt einfach meinen Degen mit und gehe. Ich will doch nicht zu spät kommen, nicht wahr?«
Er schüttelte traurig den Kopf und hielt sich weiter zwischen ihr und der Klinge. »Wir waren schon auf einem so guten Weg«, sagte er. »Verdirb es doch jetzt nicht, indem du dich dumm stellst.« Er machte noch einen Schritt, so dass er nun genau jenseits der Tür des Händlers stand.
Falkin schluckte; vor Aufregung hatte sie einen festen, schmerzhaften Kloß im Hals. Der unbewaffnete Kampf war nicht ihre größte Stärke, selbst dann nicht, wenn sie nicht verwundet war. Nicht dass sie auch nur die Chance bekommen würde, dem Mann einen Hieb zu versetzen. Wahrscheinlich würde er sie aufschlitzen, wenn sie es versuchte. Sie musste ihren Degen wieder in die Hände bekommen, um eine Chance zu haben. »Sag mir, wonach du suchst, und wir können das gleich hier klären.«
Als sie sich wieder außer Reichweite der Klinge bewegte, spürte sie, wie etwas Scharfes gegen ihr Rückgrat drückte, und erstarrte.
»Vielleicht stellt sie sich gar nicht dumm, Burk«, sagte eine zweite Stimme. Falkin drehte den Kopf zur Seite und sah so weit hinter sich, wie sie nur konnte. Alles, was sie sehen konnte, war eine ebenfalls dunkel gekleidete Gestalt, größer als sie. Hier war er also! Sie hatten sie wie ein Schaf auf Abwegen in die Enge getrieben. Sie biss sich auf die Lippen, um sich davon abzuhalten, laut zu fluchen.
Burk grinste schon wieder. »Sie ist keine Idiotin«, sagte er. »Ich glaube, sie begreift nur einfach nicht, in welcher ernsten Lage sie sich befindet, das ist alles.« Er zielte mit der Degenspitze auf den Punkt zwischen ihren Augen. »Wir könnten dich den ordentlichen Behörden übergeben, damit du deinen Luden zum Tanz mit des Seilers Tochter nach Pecheta begleiten kannst. Würdet ihr beiden nicht
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