Die magische Bombe
dem Tisch blieb ich stehen, streckte die Arme aus, und es tat gut, unter den Händen das edle Metall zu spüren. Mein Blick fiel in das Innere.
Nein, Tanith zeigte sich nicht. Vielleicht wusste sie überhaupt nicht, was der Hexer wollte, denn ihr Geist war in einer fremden Dimension gefangen und konnte nur zu bestimmten Zeiten freikommen. Kelch und Kreuz! Zwei starke Waffen. Und beide waren schon eine magische Verbindung eingegangen. Ob das wiederholbar war? Vielleicht konnte ich Tanith herbeilocken und beschwören, damit sie mir Tips gab, wie ich an den Hexer herankam, ohne den Kelch abgeben zu müssen. Wobei sich gleichzeitig die Frage stellte, warum er ihn sich nicht selbst holte. Möglicherweise war auch die Magie zu stark, denn auch eine Person wie Orgow war nicht allmächtig.
Mein Herz klopfte schon stark, als ich den Kelch in die Höhe hob. Das Kreuz berührte ihn. Es gab einen hellen Klang, als die beiden Gegenstände Kontakt bekamen.
Ich atmete tief durch. Danach ließ ich mein Kreuz in den Kelch hineinbaumeln und hoffte auf eine magische Verbindung zu Taniths Geist. Wenn diese Brücke stand, geschah etwas Unwahrscheinliches. Jedenfalls hatte ich es schon erlebt, denn die Magie schaffte es, mich unsichtbar zu machen.
Unsichtbar würde ich wesentlich aktiver sein können. Ich hoffte!
»Terra pestem teneto - Salus hic maneto!« Es waren die bewussten Worte zur Aktivierung des Kreuzes. Wieder einmal flossen sie glatt und sicher über meine Lippen, und das Kreuz ließ mich nicht im Stich. Es strahlte ab. Ein helles silbriges Leuchten füllte den Kelch aus und schuf hoffentlich die von mir so erwünschte Verbindung zu Tanith. Die Welt um mich herum versank. Ich merkte, dass etwas geschah. Ein leichtes Ziehen spürte ich, und gleichzeitig bildete sich eine Brücke zwischen dem Kelch und dem Kreuz.
Ich sah ein Gesicht. Weich die Züge, ernst die Augen. Tanith schaute mich an oder ich sie, das spielte keine Rolle mehr. Hatte ich es geschafft?
Dann vernahm ich ihre Stimme. Sie hallte in meinem Kopf wider, als sie sagte: »Kelch und Kreuz haben dich vorläufig gerettet, John Sinclair. Nutze die Macht, die beide besitzen, voll aus.«
»Was soll ich machen?«
»Der Hexer will den Kelch haben, weil der Satan ihm das Versprechen gegeben hat. Er will Orgow mächtiger machen, als er früher gewesen ist.«
»Kann er den Kelch denn berühren?«
»Ja und nein. Es ist die Kugel, die eine große Rolle spielt. Sie ist nicht unbedingt weißmagisch, musst du wissen. Man kann sie manipulieren. Sie würde bei Orgow ebenso reagieren wie bei dir. Wenn Kelch und Kugel zusammen sind, ist die weiße Magie der Kugel aufgehoben. Du darfst nicht vergessen, dass sie einmal den Teufelsmönchen gehört hat. Ein Rest des Erbes ist noch vorhanden.«
»Kann man ihn mit dem Würfel des Unheils vergleichen?« fragte ich leise.
»Ja, die beiden Dinge reagieren ähnlich. Nur produziert der Kelch nicht das Grauen oder das Böse. Aber der Teufel kann mit ihm in Dimensionen eindringen, die ihm bisher verschlossen blieben. So musst du es sehen, denn er hat das große Ziel nie aus den Augen verloren. Schließlich will er auch die Herrschaft über das Reich der Toten haben.«
»Und Orgow?«
»Steht ihm dabei zur Seite.«
»Was soll ich tun?«
»Auf keinen Fall darf er den Kelch bekommen. Ich kenne Orgow nicht so gut, weiß aber, dass er sehr gefährlich ist. Er hat nicht nur die magische Bombe gebastelt, sondern auch den Höllenstab. Dieser Stab ist etwas Besonderes. Er gibt Orgow die Macht. Versuche nun, John Sinclair, ihm den Stab abzunehmen, dann kannst du ihn besiegen.«
»Kann er mich mit ihm vernichten?«
»Nein, du bist durch das Kreuz geschützt.«
»Und schützt du mich auch? Kannst du mir wieder die Unsichtbarkeit geben, wie schon einmal?«
Taniths Gesicht verzog sich. Es zeigte jetzt einen gequälten Ausdruck.
»Ich habe es versucht, John Sinclair. Hast du es nicht gespürt?«
»Ja.«
»Leider konnte ich es nicht ganz schaffen. Ich kam mit meinen Kräften einfach nicht durch, die Gegenmagie war zu stark. In diesem Hause regiert der Teufel. Durch Orgow hat er Scotland Yard unter seine Kontrolle bekommen. Die beiden haben zu einem großen Schlag ausgeholt. Setze alles ein, um den Schlag abzuwehren. Das bist du dir und den zahlreichen Menschen schuldig.«
Tanith hatte beschwörend geredet. Ich verstand sie sehr gut. Sie selbst bestand nicht mehr aus Materie, war nur ein Geist und konnte mir deshalb nicht so helfen, wie sie
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