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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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dienen  . . .
    Nach einer langen Pause Grübelns drehte er das Nachttischlämpchen an und streckte sich aus. Das soeben geschaute Bild wollte nicht verblassen. Er brachte es kaum über sich, die Augen nach dem anderen Bett hinüberzuwenden. Als er es dennoch tat, sah er, daß sie fest schlief mit jenem törichten Ausdruck, den Schlafende oft zeigen.
    Dumm kam sie ihm vor, sklavisch und unterdrückt; ein an die Wand gehetztes Gewohnheitstier, das ermüdenden Käfigtrott im Schlaf vergaß.
    Sie träumte nicht einmal. Sie pustete nur ihre Atemzüge in die muffige Luft, und hinter der niederen Stirn unter dem zerzausten Haarbusch regte sich nicht der Schatten einer Vorstellung. Sie war weiß Gott kein Geschöpf, das einen Mann ermuntern konnte, sein Bestes herzugeben! Nein, die kleinste Scheidemünze seiner Persönlichkeit, die er ihr hingeworfen, war gerade noch gut genug für sie!
    – – – Lang noch ruhte sein Blick voll grimmer Lieblosigkeit auf ihrem törichten Gesicht. Er empfand es in diesem Moment als durchaus möglich, nicht bloß diesen Körper in endlose Distanz zu schieben, sondern auch alles, was mit ihrem tanzmausähnlichen Dasein zusammenhing. Ha, man mußte dort anknüpfen können, wo dies noch nicht begonnen hatte . . . So, als habe man sich kurz niedergelegt, sei nach schwerer Mahlzeit eingenickt und habe in einem kurzen Albdruck, der einem neun Jahre voll beklemmender Selbsterniedrigung vorspiegelte, konzentriert Liederliches geträumt, und nun erwache man mit einem Ruck. So wäre es gut.
    Seine Blicke wurden mehr als lieblos. Abscheu nahm ihnen allmählich jeden Funken von biederer Wärme. Da half nur eins: Finsternis und Vergessen. Er knipste das Lämpchen aus. Ein Loch fraß jetzt alles, vielleicht verschwand es nun und war nie gewesen . . .
    Nun begann es wieder: leuchtendes Grün, weißgekleidete Menschen in Schattenbändern, Großzügigkeit, Geld und Teilhaberschaft am Luxus der Erde . . . Es drehte sich langsam als Panorama und flammte . . . Eine Gestalt entpuppte sich, greifbar nah, die ihn mit weichem Spiel der Schulterblätter zwang, ihr blind zu folgen . . . Ein schaumweißer Leib, herrschsüchtig noch in der Demut der Hingabe, wölbte sich ihm entgegen und stieß ihn von sich: halb fordernd, halb sich versagend. Seine Arme griffen zu: da strafften sich diese apfelrunden Brüste und wurden fühlloser Stein . . .

Zinkeisen macht sonderbare Sachen
    Am nächsten Tag, im Hotel, fiel sein Aussehen auf. Seine Stimme, sonst knapp und energisch, hatte einen zerborstenen Ton. Nachdem er den verwunderten Fragen der Gattin ein steinernes Gesicht entgegengesetzt, hatte er sie fassungslos unter dem zerstreuten Papiergeld zurückgelassen. Bei der Bilanz, die er gleichgültig noch am Morgen gefertigt, waren ihm Fehler untergelaufen. Vom jovialen Buchhalter darauf aufmerksam gemacht, entschuldigte er sich mit Kopfweh – wie? – einem leichten Fieberanfall vielleicht . . .
    »Was ist das Sch . . . geld schon wert?« murmelte er. »Ein paar Millionen hin und her! Du lieber Gott!«
    »Was mich betrifft,« grinste der Buchhalter, »können wir ruhig zu Billionen gedeihen. Aber, Zinkeisen, Sie verdienen eine Aufbesserung. Machen Sie's doch so wie ich!« – Hierauf zog er eine Schublade halb auf, die bis zum Rand mit Devisen gefüllt war. – »Decken Sie sich ein! Der Weizen kann noch lange blühen, und so rechnet es sich leichter!«
    »Wegen der paar tausend Mark, die da drin liegen, echauffiere ich mich nicht«, sagte Herr Zinkeisen streng. »Bald kommt die Zeit, wo das alles bloß wieder ein Taschengeld ist. Das ist zu jämmerlich! Soll man auch noch sparen, was?«
    »Das ist Ihr Standpunkt«, meinte der andere plötzlich geschäftig. Eine leichte Portweinfarbe stieg in sein Gesicht. »Ich will Sie nicht mit der Nase auf Ihr Glück stoßen. Wo selbst der kleinste Liftjunge hamstert, geht Ihr Anstand, oder wie Sie das nennen wollen, ein wenig zu weit. Diese Großbetrüger, diese Papiermühlenbesitzer verdienen es doch bloß, daß man ihnen Konkurrenz macht.« Vor Erregung schluckte er mehrmals hinunter. »Ich empfinde ja selbst, daß es eine Schweinerei ist. Aber was will man machen; wir sitzen alle in der Tinte.«
    Hier kam Haltung in Herrn Zinkeisen. Er sagte mit schmetterndem Akzent: »Und in der Tinte bleiben Sie, Herr Brecht. Ob ich drin bleibe, ist noch nicht gesagt.« Und er wandte sich zum Gehen.
    »Was wollen Sie denn machen?« rief ihm die fettige Stimme sarkastisch

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