Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen
rauscht. Eisern fallen die Sekunden, tak, tak, tak hört er es in beiden Ohren . . . und die Stille bleibt wie ein Sumpf bestehen.
Nichts rührt sich.
Jetzt muß es geschehen – jetzt . . .
Die Stille brodelt weiter; ein brodelnder Sumpf.
Unendlich mühsam erhebt er sich endlich und geht auf die Loge zu. Voll Widerwillen späht er hinein.
Der erste, den er sieht, ist der rothaarige Zorro, der mit irren Augen und zähneklappernd ins Leere stiert.
Und in der anderen Ecke hockt Petersen. Zwischen seinen Knien, die spitz in die Höhe gezogen sind, liegen die drei Stielgranaten. Es sieht aus, als spiele er damit – wie ein Kind, das sich über seine Marmeln beugt – und sei darüber leblos geworden.
Er ist tot; der Schreck hat ihn getötet. –
Sylvester nimmt die Geschosse heraus. Der Rost, erkennt er jetzt, hat Löcher gefressen und Kellernässe ist ins Pulver gedrungen. Es sind Blindgänger.
Er klemmt sie unter den Arm und verläßt vorsichtig spähend den Zirkus. Unbeobachtet wickelt er sie in altes Papier und macht einen kleinen Morgenspaziergang nach der Binnenalster. Dort wirft er sie ins Wasser; und nachdem er das getan, sinkt er auf eine Bank und weint wie ein kleines Kind.
Viertes Bild
Die Rückkehr der Violante
Willst du sie nicht aufziehen lassen? – –
Der Freiherr Kaspar von Zachwyl oder schlechthin Kaps (wie wir ihn nannten) schob sein blondes Primanergesicht in den Lichtkreis der abgedämpften Rauchtischlampe. In dieser Beleuchtung fiel mir wieder auf, wie schwach entwickelt sein Kinn war.
»Was? – Wen? . . .«
»Nun, das Ungetüm da hinten«, und ich wies mit der Pfeife in die Ecke. – Er wurde lebendig.
»Du meinst die alte Standuhr dort? – Die ich neulich vom Speicher herunterholen ließ? –«
Er redete schrill und versorgte sich emsig mit einer Zigarette. Immer redete er in dieser etwas atemlosen Art – als sei er im Prinzip äußerst bereit zu jeder Gefälligkeit, müsse aber erklären, schnell noch vor Torschluß, daß er nicht zaubern könne . . . Träger ganz alter Namen haben noch den Tonfall, als hätten sie vom Söller aus Wälder zu verschenken. Diese Geste konnte er sich nun zwar durchaus nicht leisten; immerhin saßen wir im Wohngemach einer leibhaftigen Burg, die (man höre und staune!) das Zachwylsche Wappen ob der Toreinfahrt trug. Und so etwas hat heutzutage den Reiz der Seltenheit.
Ich hatte seine wasserblauen Augen aufglitzern sehen während meiner Frage; nun war er wieder im Schatten des Sessels versunken. Aus diesem hervor quollen ein paar Schichten von Tabakrauch. Dann stieß er hervor:
»Lieber Marbold! Verlang' das nicht. Ich mache am liebsten einen weiten Bogen um das Ding herum . . . Galizenstein ist längst auf dem laufenden. Zweimal war er schon hier und handelte. Gutes Frühbarock sei nun einmal seine Schwäche, und wenn das Ding auch zehnmal an einen Sarg gemahne, – (du siehst das silberne Tödchen im Ziffernblatt? mit der Sense, die mit einem so vertrackt tückischen Schwung als Minutenzeiger herumfahren soll?) – so sei er doch nicht abergläubisch . . . ›Gott soll schützen,‹ waren seine Worte (er schwatzt zuweilen unerträglich) – ›was haben Sie davon, Herr Baron? Es is, wie es dasteht, ane schwarze Blasphemie . . . Ob sie wohl noch anen Pendel hat? Und der Schlüssel – wo is der Schlüssel? – Na, er hat den Schlüssel nicht bekommen. Er hat sich auch nicht gefunden; das Schloß ist eingerostet. ›Sie kaufen doch die Katze nicht im Sack, Galizenstein!‹ sagte ich. – ›Ich gebe das Ding nur her, weil dies Barock sich mit meinem Biedermeier beißt.‹ – ›Machen Se keine Witze, Herr Baron‹, sagt er und senkt sein eines Lid auf Halbmast (das sah ganz abscheulich aus. Sozusagen makabre Schelmerei!) ›vielleicht kauf ich die Katz' doch im Sack; und es is kane schöne Katz' . . .‹ – Hast du schon einen solchen Unsinn gehört?«
»Preisdrückerei, Kaps. – Übrigens kommt's mir vor, als seist auch du abergläubisch.«
Ich war derweilen aufgestanden und zur Uhr hinübergeschlendert. Ich knipste die Deckenbeleuchtung an und betrachtete sie gründlich. Das Tödchen war herrliche italienische Arbeit. Es war schwarz oxydiert; fleckig, als leide es an einer ganz seltenen Seuche, – die ihm ja übrigens nichts schaden konnte. Es mußte nur geputzt werden. Der eine Arm als Stundenzeiger hielt ein Stundenglas, und zwar auf Punkt eins. Der andere mit der Sense reckte sich parallel zu ihm, so daß
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