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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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Oberhand gewonnen, und so habe er beim Training das Ziel verfehlt. – Er habe das Pferd gemeint. – Es tue ihm leid.«
    Sylvester traute seinen Ohren nicht, als er dies hörte – und noch unwahrscheinlicher klang das Folgende.
    »Auch sei er zu der Überzeugung gekommen, daß er schließlich kein Recht habe, der Verbindung Sylvesters mit Camilla im Wege zu stehen. – Doch umsonst sei der Tod, und eine kleine Mut- und Geschicklichkeitsprobe von seiten Sylvesters sei das schon wert.«
    Sylvester saß atemlos. – »Wenn es in sein Fach schlage . . .«
    »Jawohl; in sein engstes Fach. Er, Sylvester, habe ihm einmal erzählt, er habe das Jonglieren an Apfelsinen gelernt. – Nun habe er, Petersen, so eine Apfelsinenkiste in der Nähe; ob er sie ihm zeigen solle –?«
    – – – Sehr verwundert begleitete, als es dämmerte, Sylvester den Stallmeister. Sie gingen, in unauffälliges Zivil gekleidet, durch ein Gewirr von Altstadtgassen. Plötzlich zog Petersen einen Schlüssel hervor und öffnete nach vorsichtigem Umherspähen eine Kellertür. Es ging zwanzig Stufen hinunter, und eine Taschenlampe beleuchtete einen Berg von Gerümpel, das Petersen mit dem Fuß verstreute. – Endlich wurde die Apfelsinenkiste sichtbar. Sie sah alt und schmutzig aus. Petersen hob den Deckel: da lagen, hübsch und sorgfältig in Sackleinwand verpackt, nach der Schnur gereiht die gewünschten Früchte. Er enthüllte eine davon; sie hatte einen Griff aus Holz und bestand aus einem angerosteten Metallzylinder von einem Viertelmeter Länge. Oben war sie mit einem Schleifchen aus Kupferdraht geschmückt. – Petersen verfiel in ein lautloses Gelächter; seine Schultern zuckten.
    »Na, wie gefallen Ihnen meine Apfelsinen, Sylvester? – Mein nettes kleines Lagerobst aus der Rätezeit?«
    – – Sylvesters Augen glitzerten im Schein der Taschenlampe wie Sterne. »Sie sehen verdammt nach – Stielhandgranaten aus, Ihre Apfelsinen, Petersen.« Er lachte trocken.
    »Sind es auch«, sprach Petersen beruhigend. »Sind es auch! – – Nun passen Sie auf: fünfzehn Sekunden, nachdem man die Dinger abgezogen hat, platzen sie. – Wenn Sie es fertigbringen, während dieser Viertelminute Ihren – Apfelsinentrick damit zu machen, und Ihnen sollte das nicht schwerfallen – ob es nun Messer sind, oder Fackeln, oder – – geladene Apfelsinen – Sie, der Meisterjongleur! – dann gehört Camilla Ihnen. Dann trete ich zurück. Nun?!«
     
    Es ist fünf Uhr in der Arena.
    Sylvester hat zwei der Granaten in der Rechten und eine in der Linken. Er, der Stallmeister und Zorro haben sie in diesem Augenblick abgezogen; nun begeben die beiden letzteren sich im Laufschritt hinter die Deckung einer hölzernen Logenwand in etwa achtzig Meter Entfernung. Von dort aus spähen sie durch eine Ritze.
    Es sind drei Apfelsinen, die Sylvester in der Hand hat. Er soll sie handhaben, er soll sie dann in jenen Berg von Gerberlohe schleudern in der unschädlichen Richtung und sich platt auf den Boden werfen. Diese liebreiche Instruktion hat den Zweck, ihn mit vollster Sicherheit zu erledigen, denn woher sollte er wissen, daß solches Spielzeug nicht in der Luft zerplatzt, sondern sich flach am Boden verstreut? –
    Kalter Schweiß bedeckt seine Stirn. Die tödlichen Geschosse steigen, von seinen klammen Händen mechanisch geschleudert, in die Höhe.
    Eins folgt dem andern . . .
    Acht Sekunden.
    Er ist sieben Jahre alt.
    Er steht auf dem »Meßberg«
    Apfelsinenduft umhüllt ihn wie süßes Gas.
    Man ruft ihm zu; man applaudiert . . .
    Er hat die drei Stiele gemeinsam in den Händen.
    Zehn Sekunden . . .
    Plötzlich dreht er sich um und tut drei, vier lange Sprünge in der Richtung der Loge.
    Ein helles Zetern steigt hinter der Wand hervor, knirschendes Poltern und Fluchttumult.
    Man hat nicht damit gerechnet, daß er noch Zeit haben werde, diese vier langen Sprünge zu machen. Sylvester hört ein kurzes, hohles Husten, wie es die Seehunde seiner Kindheit hatten . . . ist das Petersen?! Doch dieser hustet nicht; er ruft, er bettelt; seine Stimme ist breiig zerborsten.
    Und mit der letzten, der allerletzten Sekunde fliegt das Bündel mit mächtigem Schwung durch die Luft. Man hört es dumpf aufklatschen innerhalb der Loge.
    – – – Sylvester, noch im Zug dieses Schwunges, fällt nach vorn in die Knie. Zerreißt ein knirschender Krach die Luft? – Sprüht dort angefacht von Höllenatem eine Kaskade auf aus Holzsplittern und zermahlenem Fleisch? – Sein Puls

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