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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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Namen »Training« belegte – hatte sich in ihr eine Stumpfheit eingenistet, die auch freundlichem Entgegenkommen trotzte. Petersen behandelte sie jetzt mit satter Ruhe und heimste ihre Gage ein. Er verwöhnte sie nur soweit, als ihre Gesundheit es erforderte – im übrigen hatte er sie ganz zu dem gemacht, was er wollte.
    Wenn er sie vom Pferd hob unter prasselndem Beifall und sich mit ihr verbeugte, so blieb das mechanische Lächeln ihr auf den kindlichen Zügen stehen wie geronnen; – für Sylvester war es ein Alpdruck.
    Er brauchte lange, bis er dieses Lächeln löste. Zunächst wurde ein tagelanges Schluchzen daraus und »eine Indisposition der Kunstreiterin Camilla«. Und als die Maske geschmolzen war, kehrte das Lächeln wieder – doch nicht seelenlos, als Grimasse »
for show
«, sondern verwundert und weich lebendig. Camilla begann zu lieben . Rückhaltslos und ein erstes, stärkstes Mal. Petersen nahm davon Kenntnis und verbat sich bei Sylvester allen Ernstes die Erzeugung derartiger Gemütswallungen, denn er habe viele Jahre ehrlicher Arbeit an Camilla hingehängt und gedenke vorläufig nicht, einen Flirt zu dulden. – Wonach er, im allgemeinen und in die Gegend hinein, zur Bekräftigung seine Peitsche krachen ließ. Sylvester war blaß geworden und hatte an diesem Abend kein Glück beim Jonglieren. Zweimal mißlang ihm der Boomerang-Trick. – So fing es an.
     
    Es wurde immer schlimmer, immer eindeutiger mit dieser Liebe. Die Schicksalsähnlichkeit zog sie magnetisch zueinander, und beider Arbeit litt darunter. Der Zustand schien unhaltbar, und Sylvester ging wieder zum Stallmeister.
    »Sie müssen wissen, Petersen,« sagte er, – »daß es kein Flirt ist. Ich will Camilla zur Frau.«
    Petersen musterte ihn mit einem rohen Blick aus seinen vom Arenastaub entzündeten Lidern hervor. – »Sehen Sie mal, Sylvester,« sagte er fast gemütlich, – »ich habe das Frauenzimmer nun sechs Jahre lang trainiert und sozusagen ein Stück Resultat aus ihr gemacht. Das habe ich natürlich nur zu dem Zweck getan, um sie dem ersten besten jungen Messerschmeißer zum Präsent zu machen; wie?«
    »Ich verdiene. Ich bin in der Lage . . .«
    ». . . eine Frau zu ernähren. – Lassen wir das bürgerliche Geschwätz. Darum handelt es sich nicht. Sie verdient ja auch.«
    »Sie zahlt Ihnen natürlich Ihre Spesen ab, Petersen . . .«
    »Sehr gütig. – Aber die nehme ich mir sowieso. Bis sie einundzwanzig ist. Aber auch dann werde ich verhindern, daß sie heiratet. Sie ist vorzüglich in Form. Wenn sie Kinder bekommt, ist es aus mit der Hohen Schule.«
    »Von Kindern ist ja keine Rede, Petersen . . .«
    »Was wollen Sie! – Sie sind verliebt. Wer garantiert mir . . . und überhaupt. Also – wir lassen das Thema fallen. Vier Jahre lang, mein Lieber, lassen wir das Thema fallen.« Er spielte mit dem Peitschenknauf.
    »Haben Sie denn keine Spur von Herz?!«
    »Ich sage Ihnen –« sagte jetzt Petersen und die Borsten an seiner Oberlippe sträubten sich – »lassen Sie das Mädchen in Ruhe!!« – worauf er sich sporenklirrend entfernte.
    – – – Es passierte eine Woche später, daß die Peitsche des Stallmeisters beim Morgentraining sich in Regionen verirrte, an denen Camilla noch keine Hornhaut trug. Da er für ihr zimperliches Gewinsel, das daraufhin schallend einsetzte, kein Verständnis hatte, so gab er der vom Pferd Gerutschten noch einige erbauliche Schmisse, so daß die Schnur sich um ihre Brüste wickelte wie ein glühender Draht. Hierauf wurde sie still, doch Sylvester, der in der Nähe geweilt, äußerst lebendig. Er stürzte herzu und warf sich auf das Mädchen. »Sie Rohling,« keuchte er dabei, »– das werden Sie büßen. Ich werde Sie anzeigen. Ich werde veranlassen, daß Ihre Vormundschaft . . .«
    Petersen war nicht dumm. Sein Gesicht wurde krebsrot, dann blaß. Er blieb schweigend stehen und nagte an seiner Lippe. Dieser Sylvester machte ihm allmählich zu schaffen, und so drehte er sich auf den Hacken um und ging hinaus. Ohne ein Wort. – Und bei der Jubiläumsfestlichkeit, die der Zirkus seinem Personal an diesem Abend gab, – bei einer Grog- und Sektsitzung im ersten Vereinslokal der Stadt, holte er sich seinen rothaarigen Sklaven heran und sprach mit ihm, lange und eindringlich.
    Am nächsten Morgen bat er in milden Ausdrücken Sylvester um eine Unterredung. –
    »Er gebe zu,« sagte er, »er habe sich hinreißen lassen. Nervosität, an der er in letzter Zeit leide, habe die

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