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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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er. Er holte ein letztes Mal den grünen Trank und schüttete den ganzen Rest mit einem würgenden Schluck herunter. Das feite ihn und gab ihm die Kraft, die vonnöten war.
    Er ließ die Tür zum Innenhof aufspringen. Die stumm lauernde Kraft von dort oben brandete gegen ihn an, doch er fühlte, daß er noch widerstehen könne. Elektrisches Prickeln überlief seine Haut. Er tastete sich wie einer, der auf einem Schiff dem Sturm entgegenarbeitet und sich an die nächsten Gegenstände hält, die ihm sicheren Griff erlauben, die Wand entlang, bis er den Hebel zu der Glasplatte dort oben fand. Er riß ihn herum und sah in dieser scharfumrahmten kleinen Schlucht von schwarzer Bläue das rötliche Licht des Saturns flimmern.
    Unendlich mühsam, Knie nach Knie vorstoßend, gelangte er wieder zur Tür und floh in den Gang hinaus. Dort wartete er.
    Beide Türen standen geöffnet, die zum Innenhof und die jenes fernen Zimmers. Es währte nicht lang, so hörte er tastende Schritte vom Korridor her sich nähern: klatschende Geräusche nackter Sohlen. Harald taumelte heran. Sze sah den weiß leuchtenden Körper zunächst aus weiter Entfernung, dann rannte der Knabe in Sätzen an ihm vorbei, die Arme starr entbreitet.
    Sze wagte sich in die Nähe der Tür. Das unterirdische Murren und Klingen von Metall ward lauter und dringender. Mit scharfem Böllerknall zersprangen mehrere Blöcke von Granit dort drinnen, als ob ein Riese sich in Fesseln rege oder eine tiefe Ladung Ekrasit murrend ihr enges Gefängnis dehne . . . Nun geschah ein Rasseln, wie wenn schwere Panzer oder Geschützrohre hügelan gezogen würden und funkenstiebend gegeneinander schlügen . . . Durch all diesen Lärm war noch die keuchende Stimme hörbar, die dort oben verklang, immer ferner und ferner. Da geschah ein Ton, wie wenn ein großes Stück Eisenblech über unebenes Pflaster gezerrt wird . . . Jetzt rieben sich die Zähne dort gegeneinander, jetzt geschah das Entsetzliche; das . . . Opfer!
    Plötzlich war es totenstill.
    Sze wußte, daß die Bindung, die stärkste bis jetzt, die man dem Götzen auferlegen konnte, Besitz von diesem ergriffen habe. Mit freien Schritten und einer qualverzerrten Miene schritt er durch die silbrige Dunkelheit und drehte die gesamte Schaltung an. Grelles Tageslicht überflutete den Hof, und droben begannen die grünen Lichter zu spielen. Dort hing auch der Körper des Knaben in den Eisenkrallen des Dämons, den Kopf zurückgeschleudert wie in der Inbrunst einer bedingungslosen Anheimgabe; und Blut tropfte von dem Eisen; lebendiges Blut. Es schimmerte aus den metallnen Augenhöhlen; schimmerte von den Zähnen; ganz gesättigt schien das tückische Bild, ganz überschwemmt vom Lebenssaft.
    Dr. Sze stand starr. Dann machte er eine seltsame Gebärde, eine Art tiefe Verneigung. Seine langen Aermel berührten mit einem Schwung den Boden, und in gekrümmter Haltung stand er eine Weile, wie in Ausübung einer dunklen, fremdartigen Zeremonie.
    Er schritt müde den Hügel hinauf und löste den Leichnam dort oben aus den gesättigten Pranken. Wie eine zerfetzte Blüte schien ihm das, was er zurücktrug. Er ging in den Garten. Dort bettete er ihn nieder. Die drei Hunde standen starr wie Wächter, sie rührten sich nicht. Er ging zurück und holte eine Schaufel. Dann grub er ein tiefes Grab mit ungeheurer Emsigkeit und Kraft, bettete den Körper hinein, schüttete Erde hinein und bestattete ihn unter schweren Blöcken von Granit, die er so leicht herzutrug, als sei es Kindertand.
    Es geschah in einer unfaßbar kurzen Zeit, denn das Werk näherte sich seinem Ende, und dies alles war ihm so geläufig, als ob er es längst gelesen und gewußt habe.
    Nichts befremdete ihn mehr, er wußte nur das eine: Jetzt hebt ein großes Morden an; aber es ist das letzte. Dies wird der Krieg, der jeden anderen Krieg sinnlos macht. Dies ist der letzte Krieg und dies sein erstes Opfer.
    Es wird gemordet werden, bis all die Tonnen von Blut, die dies entsetzliche Wesen braucht, es gesättigt haben; bis dieser Fremdkörper im Leib der Erde irdisch geworden, bis diese schwärende Wunde, die seit Äonen die Menschheit mit Zwangsideen, mit Geistverwirrung, mit Selbstzerfleischung ängstigt, für immer und endgültig geschlossen ist.
    Er schritt ins Haus hinein.
    Die Türe zu dem Innenhof stand noch offen.
    Er setzte alle Hebel in Tätigkeit, die die Wand bedeckten, und siehe da, das ganze Glasdach klappte auf; entfaltete sich klirrend.
    Der ungeheure

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