Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen
Sternenhimmel, wie ein Schacht, in dem silberne Welten sich bewegten Kolossen ähnlich, nach unfaßbarem Rhythmus, drang über ihm herein.
Und gleichzeitig, als sei es meilenfern, entstand das alte Dröhnen und Kollern: doch war jetzt ein Unterton dabei: war es dumpfer Rhythmus vom Marsch unzähliger Füße?
Oder war es das Stampfen eines mächtigen Mörsers, eines alles zermalmenden, auf erbarmungslosen Granit? . . .
Ausklang
An einem frühen Julimorgen erschien ein großer Mann in hellgrauem Anzug von englischem Stoff auf der Gasse des Städtchens.
Man hatte ihn nur in spärlichen Zwischenräumen gesehen. Er hatte von Zeit zu Zeit einige Geschäfte besorgt, einige Briefe aufgegeben und war dann wieder für lange Wochen spurlos verschwunden gewesen.
Es war geraume Zeit her, daß er sich hier angesiedelt. Ältere Leute wußten noch gut zu berichten, daß es eine Sensation einmal gegeben hatte, als dieser Chinese aufgetaucht war und sich dort im Walde das Laboratorium gegründet habe. Er war eine legendenumrankte Figur, ein teurer Besitz, eine Attraktion des Städtchens. Man sah ihn immer wieder gern, so selten er sich auch zeigte.
Heute schien Doktor Sze eine besonders wichtige Angelegenheit im Sinne zu haben; denn er lächelte nicht; wie es seine sonstige stereotype Gewohnheit war, grüßte auch nicht freundlich mit den schief geschnittenen Augen, sondern wandelte unentwegt weiter, bis er in das Gebäude einer bekannten großen Munitionsfabrik gelangte.
Dort ließ er sich beim Direktor melden und teilte ihm mit, er habe auf seinem eigenen Grund und Boden, ja sogar innerhalb seines Hauses, eine merkwürdige Entdeckung gemacht: Einen großen Meteoriten aus reinem Nickeleisen. Er stelle ihn den Herren im Bedarfsfalle gern zur Verfügung. Er habe kein Interesse mehr daran, und das Stück sei zu groß, zu wertvoll auch, um als Museumsschaustück zu dienen. Er habe allen Grund, anzunehmen, daß in allernächster Zeit, ja in den nächsten Tagen schon, ein Krieg ausbrechen werde, der alles bisher Dagewesene in Schatten stelle. Da sei es immer gut, eine Fundgrube für ein Material, das man ja immer zu solchen Zwecken brauchen könne, in dankbarer Nähe zu wissen.
Die Herren waren teils amüsiert, teils leicht befangen. Es waren ihnen bereits geheime Orders zugegangen; und sie hatten Grund, sich zu wundern, woher der stille Asiate seine Kenntnis beziehe.
Doch Doktor Sze sagte mehrmals eilfertig: »Es ist eine Annahme, verstehen Sie, nur eine Annahme! –« – und so wurde er unter Dankes- und Höflichkeitsbezeigungen entlassen.
Als nach einigen Tagen eine Kommission bei ihm eintraf, um den Fund festzustellen, war das Gebäude bis auf einige gleichgültige Möbelstöcke vollständig leer. Doktor Sze war nirgends zu finden.
Er war wie weggeblasen.
Drei große, halbverhungerte Hunde sprangen ihnen mit tückischem Knurren entgegen, und man mußte sie niederschießen, ehe man Zutritt zu dem Hause erzwang.
Neuntes Bild
Masken des Frühlings
»J'aime ton regard de feu,
ta bravour et ton cœur mâle,
bienque tu sembles un peu
pâle.« (Théo de Banvile.)
Die Gräfin Ponquille besaß das Schlößchen, in dem früher der Prinz Viktor residiert hatte. Bei seinem Ableben vermachte er das Gebäude der Gräfin und setzte dadurch das Gerücht einer verstaubten Liebschaft wieder in Umlauf. Die alte Dame bekam dadurch, daß ihr überraschenderweise auf einmal ein Rahmen gewährt wurde, eine farbige Kontur, die sich nicht übersehen ließ: seit sie das Besitztum hatte, blühten ihre Wangen rosiger als vorher, und eine seltsam jungfräuliche Entschlossenheit in den Bewegungen belebte die magere Gestalt mit dem ungeheuren grauen Reifrock.
Das Schlößchen schob sich wie eine Kulisse vor das Ende des schnurgeraden Parkkanals, der auf beiden Seiten von kolossal dicken und strengwinklig geschnittenen Hecken begleitet wurde. Irgendwo gab es auch ein Labyrinth, in dessen Schneckengängen Küsse geraubt und Duelle ausgefochten wurden, als jener kleine Resident noch lebte. Denn er war, wie feststeht, ein phantasievoller und wollüstiger Herr gewesen.
Die Gräfin liebte ihren Park sehr. Seit der Prinz tot war, unterhielt sie keinen Verkehr mit der Stadt mehr und lebte anscheinend nur in Gesellschaft ihrer Erinnerungen dahin. Gestattete es das Wetter, so ging sie ganz allein durch die Heckenalleen, verzückt und hingenommen von dem hoch durchsonnten, streng gebändigten Grün, das ein so treues Versteck vor einer
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