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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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weisen Gamaliel beherzigte und fortan lehrte: Prüft alles – und das Gute behaltet.«
    Als Philippa über ihre rechte Schulter blickte, bemerkte sie, daß Bernardi an ihrer Seite stand. Er mußte sich lautlos durch den Saal bewegt haben.
    »Christus selbst hat den Juden im Neuen Testament geraten, in ihren eigenen Schriften zu forschen, da insbesondere diese Schriften Zeugnis von ihm ablegen würden«, erklärte der ehemalige Prediger gefaßt. »Welche Schriften mag er dabei im Sinn gehabt haben, Graf? Entscheidet selbst!«
    ***
    Philippas Nerven waren noch immer zum Zerreißen gespannt, als sie mit Bernardi vor das Tor des Schwarzen Klosters trat. Der Magister hatte kaum ein Wort mit ihr gesprochen, seit sie mit Erlaubnis des Hausherrn und Eidgraf Wolfgers das ehemalige Refektorium verlassen hatten. Oben im Saal setzte die Musik wieder ein. Sie fand, daß Bernardi sich ihr gegenüber durchaus ein wenig dankbarer zeigen könnte. Schließlich hatte sie in einem gefährlichen Moment die Aufmerksamkeit des Eidgrafen auf sich gezogen und damit ihre Verwandten in eine peinliche Lage gebracht. Es würde nicht leicht werden, ihr Verhalten zu entschuldigen. Bernardi verzog jedoch nicht einmal das Gesicht, als sie ihn auf seine Beweggründe ansprach.
    »Eidgraf Wolfger mag Euch provoziert haben, Bernardi. Aber war es klug, ihn herauszufordern? Soviel ich weiß, ist er ein mächtiger Mann, und falls er Philipp von Hessen negativ beeinflußt, wäre das für meinen Onkel und den Kurfürsten gleichermaßen eine Katastrophe.«
    Bernardi schüttelte den Kopf. »Der Landgraf weiß auch ohne Wolfger, was er an Doktor Luther hat, Philippa. Ihr habt Euch doch vorhin nach dem Faß erkundigt, welches die Hessen als Gastgeschenk auf Euren Hof geschickt haben?«
    »Worauf wollt Ihr hinaus?«
    »Die Geschichte wird Euch nicht gefallen, schließlich seid Ihr eine Frau. Aber Ihr werdet verstehen, daß der Bund der protestantischen Fürsten trotz seines heiligen Eifers nicht frei von menschlichen Schwächen ist. So kam dem Landgrafen von Hessen vor einiger Zeit in den Sinn, seine langjährige Geliebte zu ehelichen, obwohl er bereits verheiratet war.«
    »Ihr beliebt zu scherzen!« rief Philippa.
    »Keineswegs, werte Jungfer. Da kein Geistlicher, nicht einmal der Bucer, sich befugt sieht, ihm diesen Herzenswunsch zu erfüllen, wendet sich der Landgraf nun an Doktor Luther. Euer Onkel ist gewiß nicht sonderlich erbaut von dem Gedanken, durch sein Gutachten in Hessen die muselmanische Vielweiberei zu fördern, aber aus Gründen der Diplomatie wird er Philipp früher oder später seinen Segen geben. Das Faß, das ihr auf dem Hof saht, ist demnach weniger ein Gastgeschenk unseres Freundes Wolfger von Hoechterstedt, sondern vielmehr ein dezenter Hinweis des Landgrafen an Euren Onkel, seine Belange nicht zu vergessen. Nicht gerade geeignet für eine Weinprobe, aber immerhin: manus manum lavat.«
    Philippa blickte zu dem Nachbarhaus hinauf. Unter den kleinen Fensterläden zur Gasse waren unförmige Köpfe aus Stein zu erkennen, obszöne Fratzen, welche die dicken Backen blähten und mit ihren stieren Augen auf die Vorübergehenden herunterschauten.
    »Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll, Bernardi«, sagte sie schließlich kühl. »Eure Politik ist nicht meine Welt. Mich haben ganz andere Gründe nach Wittenberg geführt.«
    Nachdenklich fuhr der Magister sich mit der Hand durch sein dunkles Haar, und für einen beklemmenden Augenblick erinnerte sich Philippa an die Szene, die sie vom Fenster der Schulstube aus beobachtet hatte: die Auseinandersetzung zwischen dem Magister und Maria Lepper. Hatte Bernardi sie etwa auch über die wahre Herkunft des Weines in Kenntnis gesetzt? Wenn er die Magd hatte necken wollen, so war ihm dies offensichtlich gelungen, auch wenn Philippa eine derart heftige Reaktion nicht verstehen konnte. Schließlich mußte es Maria doch gleichgültig sein, in welcher Beziehung ihr Dienstherr zum Landgrafen von Hessen stand.
    Bernardi raffte seinen kurzen Umhang über den Schultern zusammen. Unwillkürlich griff er unter den Wollstoff, um nach der flachen Silberscheibe an der Kette um seinen Hals zu tasten. »Ihr werdet bald feststellen, Philippa von Bora, daß Wittenberg kein Ort ist, der seine Bewohner von der Politik des Reiches unberührt läßt«, flüsterte er geheimnisvoll. »Wenn Ihr es Euch mit Luther nicht verderben wollt, solltet Ihr das beherzigen und dem Eidgrafen künftig aus dem Weg gehen.« Mit einem

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