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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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nahm sein Barett vom Kopf und warf es vor sich auf den Tisch. Seine Augen funkelten im Kerzenschein wie zwei Sterne in einer klaren Mondnacht. Langsam erhob er sich von seinem Sessel und ließ seine Blicke prüfend über die kräftige Gestalt des Eidgrafen wandern. Den übrigen Gästen im Saal blieb die plötzliche Spannung nicht verborgen. Verärgert über die Anmaßung des unbekannten Mannes, steckten einige der Damen mit ihren Tischherren die Köpfe zusammen.
    Philippas Herz begann vor Aufregung bis zum Hals zu klopfen. Welcher Teufel mochte Bernardi nur reiten? Auch wenn ihm nicht gefiel, was Wolfger über die Juden und das Studium der hebräischen Bücher gesagt hatte, konnte er es sich als Gast ihres Onkels doch nicht erlauben, dem Legaten des hessischen Landgrafen öffentlich die Stirn zu bieten. Bernardi ging um die Schragen herum und näherte sich dem Podium, auf dem der Eidgraf mit anderen hohen Gästen speiste.
    »Laßt es sein, Ihr Narr«, zischte Philippa ihm zu. Doch niemand nahm von ihr Notiz, bis auf den gefräßigen Hieronymus Krapp, der sie erstaunt anblickte und eine abgenagte Hammelkeule auf die Tafel warf.
    »Eine Antwort könnt Ihr von mir erhalten, Herr«, sagte Bernardi ruhig und neigte vor dem Eidgrafen höflich das Haupt.
    Wolfger wandte spöttisch den Kopf und strich sich über seinen blonden Bart. »Und wer seid Ihr, mein Herr, daß Ihr Euch die Dreistigkeit herausnehmt, mich ungefragt belehren zu wollen?«
    Bernardi öffnete den Mund, doch Luther kam ihm zuvor. »Ein Magister, der hier in Wittenberg in den freien Künsten ausgebildet wurde und hernach eine Zeitlang Hebräisch und Griechisch unterrichtet hat. Er ist erst seit wenigen Tagen wieder in der Stadt. Nehmt es ihm also nicht übel, Herr. Unser Freund Bernardi liebt das Studium der Schriften, die Ihr gerne brennen sehen würdet, und war von Jugend an ein wenig … nun sagen wir gereizt, wenn er die Freiheit von Forschung und Lehre bedroht sah.«
    »Bedroht? Etwa durch mich, Luther?« Die Stirn des Eidgrafen umwölkte sich. Mit zusammengekniffenen Augen fixierte er Bernardi herablassend. Keinesfalls schien er in dem bleichen Magister einen würdigen Kontrahenten zu sehen.
    Philippa bemerkte, daß ihr Onkel bemüht war, Bernardi eine Brücke zu bauen, über die er nur gehen mußte, um aus der Angelegenheit herauszukommen, ohne das Gesicht zu verlieren. Die Freiheit von Forschung und Lehre war den Humanisten heilig und gab jedem Mann, der sich auf deren Regeln berief, das Recht, seinen Standpunkt selbst vor höherstehenden Personen zu vertreten. Allerdings mußte dies kühl überlegt und ohne jede Aufwallung von Gefühlen geschehen.
    »Nun, vielleicht mag uns ein Wortgefecht nach dem Brauchtum Eurer geistigen Väter erheitern«, erklärte Wolfger mit einer gönnerhaften Geste. »Vergeßt daher Euren Stand, Magister, und sprecht frei von der Leber weg. Ihr dürft mir glauben: Unser guter Bucer hat mir so manche Lektion erteilt. Seit er am Hof meines Landgrafen predigt, weiß ich auch, daß in Euch Humanisten ein gefährliches Feuer brennt, das leicht zu schüren, jedoch schwer zu löschen ist!«
    Philippa wagte vor Spannung kaum zu atmen. Sie wußte von Katharina, daß Martin Bucer, ein Vertrauter Luthers aus Straßburg, seit einiger Zeit in Diensten des Landgrafen von Hessen stand. Der Eidgraf hatte den Disput indessen richtig eröffnet, was darauf hinwies, daß er nicht nur Ritter war, sondern auch über ein gewisses Maß an Bildung verfügte.
    Bernardi blieb gefaßt. Er ließ sich auf dem Sessel nieder, den ihm zwei Mägde auf einen stillen Wink des Schreibers Lupian zurechtgerückt hatten, und antwortete mit fester Stimme: »Ein Feuer, Euer Gnaden, sendet nicht nur Hitze aus, sondern auch Licht. Lux lucet in tenebris , heißt es im Evangelium des Johannes. Licht leuchtet in der Dunkelheit und bringt zum Vorschein, was lange verborgen war.«
    »Genug davon«, warf Luther drohend ein. »Darf ich Euch daran erinnern, daß Ihr Euer Theologiestudium aus freien Stücken abgebrochen habt? Beschränkt Euch darauf, dem Grafen zu erklären, warum die Schriften der Juden nicht vernichtet werden sollten!« Er nickte dem Grafen zu. »Fahrt bitte fort, Herr!«
    »Durch die Bücher des Antonius Margerita wissen wir, daß der Talmud, den die Ungläubigen mit Vorliebe in ihren finsteren Schulen studieren, ein Hausbuch der übelsten Schmähungen unseres Heilands darstellt«, erklärte Wolfger von Hoechterstedt überheblich. »Wer erinnert sich

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