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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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knappen Nicken wandte er sich zum Gehen.
    »Ich hoffe, Ihr habt unser Geschäft nicht vergessen, Bernardi?« rief Philippa ihm nach. »Wo kann ich Euch erreichen?«
    Bernardi maß sie mit einem prüfenden Blick. Dann sagte er: »Sucht mich in Luffts Druckerwerkstatt oder bei Melanchthon. Der Professor hat mir ein Quartier in seiner Scholarenstube zur Verfügung gestellt.«
    ***
    Als Philippa die Tür zu ihrer Kammer öffnete, dachte sie an Wolfger von Hoechterstedt und an die Blicke, die er ihr zugeworfen hatte. Trotz seines stolzen, überlegenen Gehabes schien es ihm nichts ausgemacht zu haben, von Philippa und dem Prediger im Wortstreit besiegt worden zu sein. Lächelnd hatte er vor ihr den Hut gezogen, ohne sich um die stille Empörung seiner französischen Gemahlin neben ihm zu kümmern. Nicht einmal Bernardi hatte er zuletzt noch wahrgenommen; Philippa konnte nur hoffen, daß es auch so blieb, bis der Eidgraf Wittenberg wieder verlassen hatte. Der Prediger hat keinen guten Einfluß auf Euch, mein Herz, hörte sie in Gedanken Roswitha wispern.
    Der Mond sandte einen silbrigen Schleier durch die Fenster der Schlafkammer. Durch die geöffneten Flügel wehte ein laues Lüftchen, das ungeachtet der winterlichen Frische nach Frühling roch. Rasch entkleidete sie sich und schlüpfte unter die weiche Daunendecke ihres Alkovens. Wenig später fielen ihr die Augen zu. Die Geräusche, die aus den Räumen der unteren Stockwerke zu ihr drangen, hielten indes unvermindert an.
    Stöhnend vergrub Philippa ihren Kopf in den flauschigen Kissen. Trotz ihrer Müdigkeit vermochte sie nicht einzuschlafen. Bernardi hatte nicht ganz unrecht mit seiner Warnung.
    Manus manum lavat . Eine Hand wäscht die andere, und ein Mann wie Wolfger von Hoechterstedt war zu lange Diplomat gewesen, um etwas ohne guten Grund zu tun. Sein beängstigendes Interesse an Philippa war erst erwacht, nachdem er von Katharina erfahren hatte, wer sie war: Luthers Mündel und einzige Tochter eines adeligen Grundherren aus dem Herzogtum des Georgs von Sachsen. Philippa kannte den Herzog und seine Gesinnung nur aus den Erzählungen ihres Vaters, doch ihr war bekannt, daß er dem Widerstand der protestantischen Fürsten gegen den Kaiser seine eigenen, ehrgeizigen Ziele entgegenhielt, die in dem Bestreben bestanden, sich die Kurwürde zu sichern.
    Philippa warf sich auf die Seite. Was sollte sie tun, falls der Eidgraf sie, eine sächsische Adelige und Verwandte des Wittenberger Reformators, seinem Waffenbund als Faustpfand vorschlug, um ihren Herzog in die Reihen der Schmalkaldischen zu führen? Auf diese Weise waren schon viele politische Ehen zustande gekommen. Und Todesurteile, falls das Bündnis mißlang.
    »Und dies wäre auch deine Schuld, Felix Bernardi«, flüsterte sie vor sich hin. »Warum konnten wir auch beide unseren Mund nicht halten!«
    ***
    Sie durfte die Spur des Eidgrafen nicht verlieren. Aber warum lief er nur so schnell?
    Philippa beobachtete, wie Wolfger von Hoechterstedt um das Badehaus herumging und seine Schritte schließlich auf den Pfad lenkte, der zum ehemaligen Klosterfriedhof führte.
    Argwöhnisch blickte der Graf sich über die Schulter. Seinen prachtvollen Federhut hatte er gegen eine gewöhnliche Schlappe eingetauscht, die seine Stirn und Ohren bedeckte. Seine Augen glühten in der Dunkelheit wie die einer Katze. Im letzten Moment gelang es Philippa, sich hinter der Mauer zwischen Backofen und Brauhaus zu verstecken. Dort verharrte sie und wagte kaum zu atmen.
    Der Eidgraf hatte sie jedoch nicht bemerkt. Wie ein Verschwörer schlich er weiter, den ausgetretenen Pfad entlang. Philippa erinnerte sich nicht mehr daran, wohin der schmale Weg führte. Neben ihr ragten die verwitterten Steine des alten Augustinerfriedhofs mahnend aus dem Erdreich. Sie schienen Philippa davor warnen zu wollen, ihren Weg fortzusetzen. Denn in diesem Winkel regierte noch immer der Tod. Und der alte römische Glaube, gegen den ihr Onkel zu Felde zog. Was also hatte der Eidgraf in diesem düsteren Teil des Schwarzen Klosters verloren?
    Philippa begann zu frieren. Sie spürte den frostigen Wind, der ihr Kleid flattern ließ wie die Vorhänge ihres Alkovens, und blickte zurück auf den Hof, der nun still und verlassen dalag. Zu ihrem Entsetzen mußte sie feststellen, daß mit dem Sturmwind Wolken und Nebelschleier aufgezogen waren, welche die Klostergebäude in ein unwirkliches, schemenhaftes Licht hüllten und sie schließlich Philippas Blicken entzogen.
    Am Ende

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