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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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wie Zinnsoldaten hinter ihren Pulten aufzustellen.
    »Seid gegrüßt, Magistra!« riefen sie im Chor. Dann neigten sie die Köpfe zum Gebet, so wie sie es anscheinend gewöhnt waren.
    Philippa sammelte sich. Gewiß hatte der Unterricht mit dem Morgensegen zu beginnen, den Luther eigenhändig verfaßt hatte. Wie dumm von ihr, das zu vergessen. Da Philippa den Segen nicht auswendig wußte, mußte sie notgedrungen eines der Mädchen bitten, ihn vorzusprechen. Während sie die Stufen zum Katheder nahm, bemerkte sie, daß einige der Kinder hinter ihrem Rücken die Köpfe zusammensteckten und kicherten.
    Zu allem Überfluß tauchte auch noch Melanchthon in der Schulstube auf, was die Prozedur der Begrüßung und des Gebets ein zweites Mal erforderlich machte. Dann setzte sich Melanchthon stumm in eine Ecke und bedeutete der jungen Magistra mit einem Lächeln, mit dem Unterricht fortzufahren.
    Philippa zitterten vor Aufregung die Hände. Zum Glück schwankte ihre Stimme jedoch nicht. Sie rief die Mädchen einzeln auf, fragte nach ihren Namen und notierte die Antworten auf einem großen Bogen Papier. Danach ließ sie zwei der älteren Schülerinnen berichten, wie weit sie in der Fibel und im Katechismus bereits vorgedrungen waren.
    »Ihr dürft nicht zuviel erwarten, Jungfer von Bora«, tröstete sie Melanchthon, nachdem sie die Kinder nach Hause entlassen hatte. »Aller Anfang ist schwer und Bildung nicht gleichbedeutend mit Ausbildung. Schulmeister müssen eine harte Lehrzeit absolvieren, ehe sie zum ersten Mal vor einer Klasse stehen. Meistens lernen sie bei mehreren Schreib- und Rechenmeistern und müssen dann eine Prüfung ablegen. Für die Magister der Lateinschulen liegen die Anforderungen noch höher. Früher war es üblich, daß die Schulmeister sich ihr Amt erkaufen konnten, aber mit dieser Unsitte haben wir in Wittenberg und den Städten, die uns folgen, gebrochen. Der hohe Rat und die Schöffen haben die Wahl Eures Onkels gebilligt, und mit der Zeit sowie mit Gottes Hilfe werdet Ihr an Eurer Aufgabe wachsen.«
    Philippa war Melanchthon dankbar, daß er sich so verständnisvoll zeigte, doch fragte sie sich auch, wie es ihr mit den kärgliche Hilfsmitteln, die ihr zur Verfügung standen, überhaupt möglich sein sollte, gleichzeitig ihren jüngsten Schülerinnen das Buchstabieren, den größeren die Rechenarten und schließlich den ältesten die Anfangsgründe des Lateinischen zu erschließen.
    Plötzlich kam ihr ein Einfall. »Meister Melanchthon, ich denke, es würde mir leichter fallen, meinen Schulbetrieb zu organisieren, wenn ich wüßte, wie die Magister der Lateinschule vorgehen.«
    »Ihr gebt wohl niemals auf, nicht wahr? Ich glaube, Euer Onkel hat recht: Ihr könnt zuweilen eine wahre Plage sein!«
    »Werden nicht gerade die besten Schulmeister von ihren Schülern als Plage empfunden, Herr«, erwiderte Philippa und schlug mit einem koketten Blinzeln die Augen nieder.
    Melanchthon lächelte unwillkürlich. Philippas Eifer gefiel ihm, auch wenn er noch nicht einordnen konnte, ob sich dieser Tatendrang in Zukunft eher nützlich oder schädlich auf ihr Amt auswirken würde.
    »Leider habe ich keine Zeit, Euch persönlich zur Lateinschule zu begleiten, Jungfer. Euer Onkel und ich diskutieren zur Zeit noch über einige Punkte der Bekenntnisformel für die Schmalkaldischen, und wenn wir uns nicht vor unserer Abreise nach Schmalkalden einigen, werde ich den Unmut des Kurfürsten am eigenen Leib zu spüren bekommen.«
    »Wart Ihr es nicht selbst, der vor sechs Jahren die Confessio Augustana verfaßt hat, Meister Melanchthon?« erkundigte sich Philippa. »Ich dachte, die neuen Formeln seien nur eine Überarbeitung Eures Schrifttums.«
    Melanchthon schüttelte den Kopf. »Das Augsburger Bekenntnis sollte sowohl den Kaiser als auch den römischen Klerus davon überzeugen, daß es uns lediglich um eine Reformation jener üblen Zustände geht, die in der Papstkirche herrschen. Aus diesem Grund lag mir ein versöhnlicher Ton am Herzen. Ich wollte auf Gemeinsamkeiten bauen, ohne den Zorn der Obrigkeit zu schüren. Euer Onkel war damals derselben Ansicht und stattete mich mit sämtlichen Vollmachten aus. Er selber durfte sich in Augsburg ja nicht blicken lassen, da man ihn sofort verhaftet hätte.«
    »Und nun?«
    Melanchthon blickte sie milde an. Er war kein klatschsüchtiger Mann. Philippa bemerkte, daß er mit sich rang, ob er ihr seine Gedanken offenbaren sollte. Schließlich sagte er: »Was immer er tut, welche

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