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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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euren Stuben und Ställen fernhalten und die Zauberer und Mörder aus eurer Mitte stoßen, wenn ihr nicht erkennt, wo die Wurzel des Übels zu finden ist?«
    Der Prediger klappte sein Gebetbuch zu und schloß die Augen. Sein Körper bewegte sich im Wind hin und her wie eine Weizenähre. Plötzlich öffnete er die Augen, und wieder traf sein Blick Philippa.
    »Doktor Luther hat gelehrt, daß wir dem Zauber- und Hexenwesen nur dann Herr werden, wenn wir die Figuren und Bildnisse derer aus unseren Kirchen verbannen, die vom Papst über die wahre Gemeinschaft der Heiligen gestellt wurden!« Beschwörend hob der Prediger beide Arme. »Befreit euch von ihnen, meine Brüder und Schwestern! Denn die Verehrung eines Heiligen wird euch an jenem nahen Tag des Gerichts nicht anders ausgelegt werden, als wenn ihr einen Zauberer besucht oder eine Hexe auffordert, euch durch ihre Beschwörungen und Formeln beizustehen. Eines ist so töricht wie das andere. Verbannt den eitlen Aberglauben aus eurem Leben, den euch die geldgierigen Priester und Legaten aufzwangen, und ihr werdet das Unheil aus euren Mauern treiben!«
    Zustimmendes Geflüster breitete sich aus, wie die Wellen eines Sees, in den man einen Stein geschleudert hatte. Einige der Umstehenden hatten die Hände gefaltet und neigten demutsvoll den Kopf. Andere tuschelten aufgebracht mit ihren Nachbarn. Fäuste schlossen sich um Stöcke, Werkzeuge oder Henkelkrüge. Philippa beobachtete, wie zwei Frauen sich Tränen aus den Augen wischten und dem hageren Mann ehrfurchtsvoll nachblickten, bis er in der alten Kapelle verschwunden war.
    »Irgendein Unheil liegt in der Luft«, flüsterte Roswitha angsterfüllt. »Ich kann's förmlich riechen. Straßenpredigten gibt es hier zwar an jeder Ecke, aber der bleiche Kerl«, sie deutete auf die schmale Eichenpforte, »machte ein Gesicht, als wollte er die Menschen auf das Jüngste Gericht vorbereiten!«
    Philippa schaute sie betroffen an. Der Prediger hatte die Verehrung von Heiligen mit Hexerei und schädlichem Aberglauben verglichen.
    Die Figur der heiligen Katharina stand seit Philippas Ankunft in Wittenberg in ihrer Kammer im Schwarzen Kloster. Was würde mit ihr geschehen, wenn eine aufgebrachte Menge ausgerechnet im Lutherhaus die Statue einer geschmähten Heiligen entdeckte?
    Das Getrampel von Pferdehufen und harsche Männerstimmen holten Philippa unvermittelt aus ihren Gedanken. Verwirrt drehte sie sich um und erkannte eine Gruppe von Reitern der Stadtwache, die bis an die Zähne bewaffnet waren. Die Männer schlugen den Weg zum Elbviertel ein. Rücksichtslos preschten sie an den Buden der Krämer vorbei und traten mit ihren Stiefeln gegen Körbe und Krüge, die auf dem harten Pflaster in tausend Stücke zerschellten. Die Menschen, die noch eben zitternd den Worten des Kapellenpredigers gelauscht hatten, nahmen die Beine in die Hand und folgten den Berittenen, so rasch sie konnten.
    »Im Zunfthaus der Silberschmiede muß etwas geschehen sein«, hörte Philippa einen Mann von seinem Kutschbock herunterrufen. »Bleibt lieber zurück, Frau!«
    Philippa kümmerte sich nicht um die Warnung des Kutschers. Sie mußte sehen, was jenseits der Kirche vor sich ging. Eilig umrundete sie die verwaiste Baugrube und bog, um den Weg zum Zunfthaus abzukürzen, in die enge Gasse der Blechschläger ein. Das aufgebrachte Geschrei der Stadtbewohner, die Rufe der Wachsoldaten und das Schnauben der Pferde dröhnten in Philippas Ohren wie das Grollen eines einzigen wilden Tieres.
    Als sie den kleinen Platz vor dem Zunfthaus erreichte, hatte sich bereits eine lärmende Menge dort eingefunden. Mit klopfendem Herzen beobachtete sie, wie zwei Stadtwächter einen dicken Stamm wie einen Rammbock gegen die massive Tür jagten. Die dumpfen Schläge erschütterten nicht nur das splitternde Holz, sondern hallten auch von den Wänden der angrenzenden Häuser wider.
    Eine Hand legte sich über Philippas Arm. Erschrocken drehte sie sich um und blickte in das besorgte Gesicht ihrer Amme.
    »Die Stadtwachen stürmen das Zunfthaus!« flüsterte Philippa. Entsetzt deutete sie auf die hohen Giebel und Kamine, die aus dem Nebel wie Baumstämme in den Himmel ragten. Im obersten Geschoß, das direkt unter dem Dach lag, wurde ein Fenster aufgestoßen, und für einen bangen Moment richteten sich zwei zu Schlitzen verengte Augen auf das gaffende, lärmende Volk auf der Gasse.
    »Die Barle!« kreischte eine Stimme hinter Philippa. »Es ist also wahr! Diese Hexe hat sich im Haus

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