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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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der Silberschmiede verkrochen!«
    Jäh wurde das Fenster zugeschlagen. Philippa versuchte, sich aus dem Menschenstrom zu befreien, der unbeirrbar nach vorn zur Treppe drängte, doch es war vergeblich. Ohne daß sie etwas dagegen tun konnte, wurde sie mitgerissen. Sie beobachtete, wie ein paar junge Burschen sich bückten. Im nächsten Augenblick prasselten Steine auf das Dach und gegen die Fenster des Anwesens.
    Wenig später wurde die Tür aus ihren Angeln gerissen. Krachend barst das Holz. Die Stadtwächter zückten ihre Schwerter und stiegen über die Trümmer, um sich einen Weg ins Innere des Hauses zu bahnen, während eine Handvoll älterer Männer in teuren Pelzmänteln energisch protestierte. Offensichtlich gehörten sie zu den Silberschmieden der Stadt und verwahrten sich entschieden gegen die Zerstörung ihres Eigentums. Ihre Einwände blieben indessen ungehört. Ein Stadtwächter untersagte den Männern sogar mit aufgerichteter Hellebarde, ihr Versammlungshaus zu betreten.
    »Das Fenster zum Balkon wird geöffnet«, ließ sich die Frau hinter Philippa erneut vernehmen. »Paßt auf, die Hexe will übers Dach entfliehen!«
    Philippa versuchte, ihren Kopf zu drehen, wurde jedoch unversehens weitergetrieben. Die Stimme der Frau kam ihr bekannt vor. Irgendwo hatte sie diesen Tonfall schon einmal gehört. Aber wo? Philippa blieb keine Zeit darüber nachzudenken.
    Hoch über ihrem Kopf schob sich ein langer Frauenkörper aus einem Fenster an der Südseite. Das Fenster, eher eine Luke, führte auf einen mit tönernen Blumentöpfen und Holzkübeln versehenen Balkon. Fassungslos beobachtete Philippa, wie die Frau, so gewandt als hätte sie gar keine Knochen im Leib, auf den Balkon kletterte. Die kreischende Menge zu ihren Füßen schien sie überhaupt nicht wahrzunehmen. Noch ehe der erste Wachsoldat seinen Kopf aus der Fensteröffnung steckte, war die Barle auch schon auf den Füßen. Heftig schlug sie dem verdutzten Mann den Laden vors Gesicht und sprang dann geschickt auf den abschüssigen Dachreiter zu.
    Was um Himmels willen hat sie vor? überlegte Philippa. Sie hegte nicht die geringste Sympathie für die Frau auf dem Dach, und doch konnte sie sich eines Anflugs von Mitgefühl nicht erwehren. Die Barle wurde gehetzt wie ein Tier. Ihre Hatz war zur Belustigung einer erbarmungslosen Menschenmenge geworden, die gar nicht danach fragte, wessen Verbrechens die alte Kräutersammlerin angeklagt wurde oder welches Unglück sie überhaupt zur Ausgestoßenen gemacht hatte.
    Der erste Stein traf die Barle unerwartet. Als sie ihre blutigen Fingerspitzen von der Schläfe zurückzog, blickte sie vollkommen verständnislos um sich, als wäre dieser Stein plötzlich vom Himmel gefallen. Doch sie kehrte nicht um. Wie in Trance setzte sie ihre aussichtslose Flucht fort.
    Dann trafen die nächsten Steine ihr Ziel. Ein gellender Schrei brandete auf, der sofort von lautstarkem Jubel begleitet wurde. Die Barle verlor den Halt, ihre Hände griffen ins Leere. Sie stürzte und schlug mit einem harten Geräusch auf dem lehmigen Boden auf. Sie gab keinen Laut von sich, aber unter ihrem zerschmetterten Körper breitete sich sogleich eine dunkelrote Blutlache aus.
    Erschrocken wichen die Burschen, die die Steine auf die alte Hebamme geschleudert hatten, zurück und wandten sich um, als erwarteten sie genaue Befehle aus der Menge der Umstehenden.
    »Habt ihr etwa Angst?« rief auch schon die Frau in Philippas Rücken höhnisch. »Dieses Hexenweib kann der Stadt nicht mehr schaden!«
    »Aber befragen können wir sie auch nicht mehr!« Der Stadtsoldat, der die Silberschmiede in Schach gehalten hatte, ging neben der Leiche in die Hocke, wagte jedoch nicht, sie zu berühren. »Ich werde nach einem Fuhrknecht schicken lassen, der die Tote abtransportiert!« erklärte er mit belegter Stimme.
    Philippa hatte genug gesehen. In ihrem Magen rumorte es gefährlich, und sie zweifelte nicht daran, daß sie sich gleich würde übergeben müssen. Vornübergebeugt bahnte sie sich einen Weg durch die Traube der Schaulustigen und stieß dabei versehentlich gegen eine korpulente Gestalt.
    »Könnt Ihr nicht aufpassen, Mädchen?« Vor ihr stand die Frau, die Philippa im Strom der Menschen nach vorne gedrängt und den Tod der Barle lautstark kommentiert hatte. Wie betäubt wich Philippa ihrem Blick aus. Sie hatte sich also nicht getäuscht, die Stimme der Frau war ihr gleich bekannt vorgekommen. Philippa war ihr tatsächlich schon einmal begegnet, und

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