Die Malerin von Fontainebleau
Papst schüttelte den Kopf.
Carafa knetete seinen Rosenkranz. Warum sperrte sich Seine Heiligkeit so gegen die Inquisition? Die Dominikaner hatten damals die Inquisition verkörpert, und auch heute waren sie die wertvollsten Instrumente zur Verteidigung des einzig wahren Christentums. Jede neue Sekte musste im Keim erstickt werden. Je länger man wartete, desto mehr Zeit gab man den Teufeln, sich zu vermehren und ihr böses Saatgut unter dem gutgläubigen Volk zu verstreuen.
Ruhig fuhr der Papst fort: »Die Häresie ist mir ein Dorn im Auge, genau wie Euch, nur möchte ich nichts übereilen. Zuerst reise ich nach Nizza. Möglicherweise bringen die Verhandlungen
eine Wende in der französischen Politik. Nach meiner Rückkehr sprechen wir noch einmal über diese Angelegenheit. Ihr dürft Euch entfernen, Carafa.«
Der ehrgeizige Kardinal schwieg, denn er wusste aus Erfahrung, dass er heute nichts mehr erreichen konnte. Nun, vielleicht war ein Aufschub nicht das Schlechteste. Sampieri hatte ihm Berichte über seine Tätigkeit zugesandt und schien auf ein wahres Wespennest von Häretikern gestoßen zu sein. Zwar agierte er nicht offiziell als Inquisitor, doch wurde er von Kardinal Tournon und dessen Sekretär unterstützt. Wie hieß der vielversprechende junge Mann? Guy de Mallêt, ein Name, den man sich merken sollte.
Carafa erhob sich und wanderte über die verschlungenen Wege zurück zum Petersdom. Im Grunde war er nicht unzufrieden, denn der Papst schien einer institutionalisierten Inquisition nicht gänzlich abgeneigt. Carafas Vision eines vom Papst ernannten Sanctum Officium mit selbständigen Befugnissen schien in Reichweite. Notfalls würde er eigene finanzielle Mittel für dessen Verwirklichung zur Verfügung stellen.
XXII
Die Engel der Danaë
Qui n’ust pensé qu’en faueur devoit croitre
Ce que le Ciel & destins firent naitre?
Mais quand ie voy si nubileus aprets,
Vents si cruels & tant horrible orage:
le croy qu’estoient les infernaus arrets,
Qui de si loin m’ourdissoient ce naufrage.
Wer dächte nicht, es müsse gut gedeihen,
Was Himmel und das Schicksal uns verleihen?
Doch seh ich Stürme und Gewitter nahn,
Von Wolken drohend alles rings bedeckt,
Glaub ich, es war der Hölle finstrer Plan,
Die lange schon den Schiff bruch ausgeheckt.
Sonett von Louise Labé
F euchter Mörtel fiel von der Kelle, die Luisa in den Händen hielt, während sie stolz ihr Werk betrachtete. Die Mauerfläche sah glatt aus, und das Stück, auf dem sie heute malen würde, schloss nahtlos an das vom Vortag an. Sie stand auf dem Gerüst vor dem fertigen Fresko der Danaë . Rosso hatte vorgestern letzte Hand an das ovale Bild von Jupiters Geliebter gelegt. Obwohl die Farben erst nach dem Durchtrocknen ihre gesamte Pracht entfalten würden, hatten
sie schon genügend Leuchtkraft, um den Betrachter zu überzeugen.
Die Komposition des Bildes war von raffinierter Schlichtheit. Danaë, die Tochter König Acrisius’ von Argos, ruhte auf einem Diwan, die Beine geöffnet und den Blick auf einen Cupido gerichtet, der ihrer alten Zofe die Augen verband. Ein Orakel hatte König Acrisius prophezeit, dass der Sohn seiner Tochter ihn einst töten werde, weshalb er Danaë in einem bronzenen Turm einschloss. Doch der schlaue Jupiter überlistete den König und kam in Gestalt eines Goldregens zu Danaë. Symbolträchtig hatte Rosso die göttliche Wolke, aus welcher der goldene Regen in Danaës Schoß fiel, direkt unter dem königlichen Salamander platziert. Luisa wischte sich die Hände an ihrem Kittel ab und steckte die Kelle in ihren Gürtel. Dann ließ sie den Blick über die üppigen Körper der flankierenden Stuckkaryatiden und das allzu pralle Obst gleiten.
Das Gerüst knarrte, und kurz darauf stand Rosso neben ihr auf den Planken. »Was denkst du?«
»Die leuchtenden Farben, die üppigen Formen, alles strahlt Sinnlichkeit aus, und dann der Salamander genau über dem Regen …«
Rosso zwinkerte ihr zu. »Die Eindeutigkeit liegt in der Zweideutigkeit. Mythos oder König, Wollust oder keusche Hingabe? Wer könnte der armen Danaë einen Vorwurf machen?«
Sie begriff und fügte leise hinzu: »Und wer könnte einem König seine Liebe zu schönen Frauen vorwerfen? Mehr noch, wer sollte den Frauen vorwerfen, dass sie sich ihm hingeben? Darin liegt eine solche …« Sie suchte nach dem passenden Wort.
»Finesse? Zweifellos, danke.« Zufrieden schnalzte er mit der Zunge und bückte sich, um den von ihr
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