Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
Vom Netzwerk:
aufgetragenen Feinputz zu prüfen. Nachdem er leicht mit dem Finger dagegengedrückt
hatte, erhob er sich. »In weniger als der Hälfte einer Stunde kannst du beginnen. Die Engel von gestern wirken zu ernst. Gib den heutigen etwas mehr Schalk. Das wäre dem Thema angemessen, denkst du nicht?«
    Sie nickte und kam wieder ins Grübeln. Seit Armidos überstürzter Abreise waren über drei Wochen vergangen, in denen sie kein Lebenszeichen von ihrem Bruder erhalten hatte, und sie machte sich große Sorgen. Die Arbeit in der Galerie, ihre Gespräche und das Zusammensein mit Rosso bedeuteten ihr viel, aber sie vermisste Armido. Seine Gefangennahme in Paris hatte ihn verändert, hatte ihrer beider Situation verändert. Von Josette hatte sie erfahren, dass Armido einen Brief von Aleyd erhalten hatte. Noch in derselben Nacht war er verschwunden. Aleyd erwartete ein Kind.
    »Wo bist du nur mit deinen Gedanken, Luca?« Rosso bürstete mit einem Pinsel über den vergoldeten Stuckrahmen.
    »Bei meinem Bruder. Primaticcios Leute machen immer häufiger gehässige Bemerkungen, und mir fallen keine Entschuldigungen mehr ein. Er hätte mir zumindest sagen können, wohin er gegangen ist.«
    »Ich kann nun wirklich nicht behaupten, dass ich seine Abwesenheit gutheiße, immerhin ist er einer der fähigsten Stukkadore hier, aber er ist ein Ehrenmann. Wenn er es also für seine Pflicht hält, diese Frau zu ehelichen, dann kann ich verstehen, dass er sich nicht davon abhalten lässt. Aber er hätte mir mehr Vertrauen entgegenbringen sollen. Das enttäuscht mich ein wenig.« Rosso blies feinen Staub von den Frucht- und Blattstäben des Rahmens. »Wir hätten eine Lösung gefunden, nun ist er allein und – wie ich fürchte – in einer unsicheren Gegend.«
    »Woher weißt du das? Hast du von ihm gehört?« »Das nicht, aber ich habe mit Freunden von Marot gesprochen, die Kontakte zu den Vaudois haben.«

    Aufgeregt sah sie zu ihm auf. »Ja?«
    Bedächtig legte Rosso den Pinsel in eine offene Werkzeugkiste. Mit einem Blick nach unten versicherte er sich, dass sie keine ungebetenen Zuhörer hatten. Doch Matteo war in der Galerie, und von den Dienern war keiner in der Nähe. »Jules Dubray hält sich in der Dauphiné auf, in der Nähe von Embrun. Denn dort hat man einen ihrer Brüder ins Gefängnis geworfen. Der dortige Bischof sympathisiert mit den erzkonservativen Kirchenherren von Toulouse und Aix.«
    Luisa zitterte. Toulouse und Aix standen für Inquisitionsgerichtshöfe und die ungebrochene Verfolgung von Ketzern, entgegen der gemäßigten Politik des Königs.
    »Im Piemont hat Gouverneur Montjehan Plünderungen von Dörfern der Vaudois zugelassen, und soweit ich weiß, hat der neu ernannte Connétable seine Zustimmung gegeben. Embrun liegt nicht weit von Turin und dem Gebiet, das überfallen wurde. Die Situation dort ist angespannt, und der Connétable duldet Gewalttaten gegen protestantische Minderheiten. Verstehst du?«
    »Und mein Bruder wird konvertieren, um Aleyd zu heiraten. Dann ist er ein Ketzer und den Verfolgungen ausgeliefert wie die anderen. Aber der König würde ihn doch schützen. Armido gehört schließlich zu den Künstlern von Fontainebleau!« Voller Angst sah sie Rosso Fiorentino an.
    »Du bist ja ganz blass. Das ziemt sich nicht für einen Kerl.« Unten entstand Bewegung. Die Eingangstür schlug laut zu, und jemand rief laut nach Rosso. »Reiß dich zusammen, Luca. Armido hat uns nicht um Hilfe gebeten. Wenn er uns braucht, wird er sich melden, und dann sehen wir weiter.« Bevor er die Leiter hinunterstieg, sagte er: »Und mach keine Dummheiten!«
    Mit hängenden Schultern stand sie vor dem Fresko und unterdrückte aufsteigende Tränen. Nicht weinen, Luca, du
bist keine Frau. Sie schluckte mehrmals hintereinander und wischte sich die Augen. Obwohl es nicht länger kalt in der Galerie war, trug sie noch immer eine Kappe auf den zusammengebundenen Haaren. Durch die Arbeit hatte ihr Körper sich verändert, war sehniger und kräftiger geworden, und sie achtete weiter darauf, nicht zu viel zu essen, um Rundungen an den falschen Stellen zu vermeiden. Doch in diesem Moment wäre sie am liebsten in sich zusammengesackt und hätte ihrer Verzweiflung freien Lauf gelassen. Das Versteckspiel forderte ihre ständige Aufmerksamkeit. Ohne Armido fühlte sie sich schutzlos. Seit Pellegrino wieder in Fontainebleau war, hatte Rosso kaum mehr Zeit für sie. Sie durfte seine Bücher lesen, und er ließ sie verschiedene Motive zeichnen,

Weitere Kostenlose Bücher