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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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aber ihr fehlte seine Nähe. In ihren Räumen war sie allein. Manchmal unterhielt sie sich mit Scibec de Carpi, doch auch bei ihm musste sie achtgeben und konnte nicht sie selbst sein.
    »Das ist unerhört! Ich lasse mir das nicht länger von Euch bieten!«, schrie Primaticcio unten.
    Neugierig sah sie über die Brüstung in die Galerie. Meister Primaticcio stand mit wütender Miene vor Rosso, der ihn um einen guten halben Kopf überragte. Das schlanke, leicht hochmütige Gesicht des Bolognesers wurde von einem zweispitzig zulaufenden Bart umrahmt. An seinem Wams glänzten goldene Knöpfe; zweifarbige Hosen und spangenbesetzte Schuhe rundeten das Bild eines Hofmanns ab.
    »Warum seid Ihr denn nicht sofort zu mir gekommen, Primaticcio? Dann hätten wir das Problem längst aus der Welt geschafft.«
    »Ach ja? Wie denn? Es weiß doch niemand, wo Armido Paserini steckt. Zuerst verschwindet Piet und jetzt Paserini. Er hatte eine Ceres in Arbeit; und seine Idee war so gut, dass ich ihm auch die übrigen Karyatiden anvertraut habe. Seit drei Wochen warte ich auf den Kerl!«

    Rosso lächelte schwach. »Wollt Ihr damit sagen, dass Ihr in den drei Wochen niemand anderen mit der Ausführung der Karyatiden betraut habt?«
    In gemäßigterem Ton erwiderte Primaticcio: »Ja, das heißt, nein, denn ich habe ja auf die …«
    »Dann seid Ihr dem Zeitplan also hinterher?«, unterbrach Rosso scharf.
    »Das ist doch nicht meine Schuld! Schließlich war Armido Euer Mann!«
    »Ich entsinne mich vage, dass Ihr es wart, der mir Paserini empfohlen hatte.«
    Pellegrino war dazugekommen und hatte sich neben seinen Meister gestellt. Matteo rührte in einem Eimer und lauschte aufmerksam.
    »Aber darum geht es ja gar nicht. Paserini ist ohne Entschuldigung verschwunden und hat seine Arbeit im Stich gelassen. Ich will wissen, wo er ist, und dann muss er bestraft werden! Für mich arbeitet er jedenfalls nicht mehr!« Röte stieg in die Wangen des Bolognesers, der für sein aufbrausendes Temperament bekannt war.
    »Vielleicht hatte er gute Gründe, uns so kurzfristig verlassen zu müssen.«
    »Ihr nehmt diesen Taugenichts auch noch in Schutz? Das sieht Euch gar nicht ähnlich.«
    »Nun, ich fälle mein Urteil über jemanden erst, wenn ich die Gründe für sein Tun kenne.«
    Primaticcio schnaufte. »Was sollen das schon für Gründe sein? Wir sind alle nur zu Gast hier und haben unsere Arbeit zu tun und sonst nichts. Hat er nicht auch noch seinen Bruder mit hergebracht? Der kann sich gleich seinen Restlohn beim Zahlmeister holen und verschwinden!«
    Luisa hielt die Luft an. Nur das nicht!
    »Jetzt reicht es mir, Primaticcio! Seht zu, dass Ihr jemand
anderes an die Karyatiden setzt, und erfüllt Eure Aufgaben. Noch habe ich das Sagen über die künstlerischen Belange in Fontainebleau. Und Luca Paserini lasst in Ruhe. Er leistet gute Arbeit, und das allein zählt. Wenn wir alle für die Fehler unserer Verwandten aufkommen müssten, hätten wir viel zu tun!« Rosso hatte seine Stimme nur leicht erhoben, doch sein Ton ließ keinen Widerspruch zu.
    Alle in der Galerie Anwesenden waren verstummt.
    Primaticcios Gesicht glühte, und seine Hand umklammerte den Griff seines Degens. Einzig sein Wissen um Rossos Gunst beim König hielt ihn davon zurück, über den Gegner herzufallen. »Seht Euch vor, Rosso. Bei Cellini habt Ihr schon einmal Euer wahres Gesicht gezeigt. Irgendwann schaut auch Seine Majestät hinter Eure aufgeblasene Fratze!«
    »Cellini verbreitet überall Lügen, das weiß jeder. Der Zorn übermannt Euch, Primaticcio, und das steht keinem gut zu Gesicht. Beruhigt Euch wieder und tretet mir mit kühlem Kopf gegenüber. Ich habe Euch nichts mehr zu sagen.« Rosso ging an Primaticcio vorbei und winkte die betreten herumstehenden Künstler zu sich, die mit Primaticcio die Galerie betreten hatten.
    »Die Sterne werden nicht immer so günstig für Euch stehen!«, schrie Primaticcio und rannte hinaus.
    »Solange mir keiner auf den Kopf fällt …«, sagte Rosso gelassen, und die Männer lachten.
    Da der König Rosso mit diversen anderen Projekten neben der Galerie beauftragt hatte, kam die Arbeit an den Fresken nur langsam voran. Pellegrino half ihm, die weniger wichtigen Aufgaben an fähige Künstler zu delegieren. Vor einigen Wochen war der Maler und Stuckateur Domenico del Barbiere aus Florenz eingetroffen, der auch ein vortrefflicher Zeichner war. Er fertigte Stiche nach Rossos Entwürfen an
und übernahm das Ausfertigen von Vorlagen für

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