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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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hatte der Meister seinem Lieblingsschüler zu sagen?«
    Sie riss Armidos Brief aus ihrem Wams und hielt ihn dem Römer vor die Nase. »Er hat mir einen Brief von meinem Bruder gebracht und mir einen Entwurf gezeigt. Und jetzt lass mich meine Arbeit machen.«
    »Oh, der Welpe kann schon beißen. Falls dein werter Bruder nicht einen sehr triftigen Grund für sein Fortbleiben hat, kann er sich zum Teufel scheren. Das darfst du ihm gerne
ausrichten!« Die anderen Stukkadore nickten zustimmend, ließen sie aber danach in Ruhe.
    Entschlossen machte sich Luisa an ihren Entwurf für die Gussform, doch sie konnte nicht verhindern, dass ihre Gedanken immer wieder abschweiften. Warum musste ihr Bruder sich ausgerechnet in diese Frau verlieben? Aber wer war sie, dass sie ihm deswegen einen Vorwurf machen konnte …
     
    Vom Palazzo aus hatte man einen weiten Blick über die Stadt und die Berge. Irgendwo hinter dem dichten Schleier aus fallenden Schneeflocken lag die Durance, die bei Avignon in die Rhône floss. Die Stadt der Päpste, dachte der hagere Mann mit dem Raubvogelgesicht und beobachtete die Menschen, die sich mit Umhängen gegen Schnee und Kälte schützten. Störrisches Bergvolk hatte er in Embrun erwartet, doch die Bewohner hatten ihn überrascht. Sie hingen an seinen Lippen, als wäre er der Messias, so ausgedürstet waren ihre armen Seelen. Nun, er würde ihnen das Heil bringen, und wo sich der Teufel eingenistet hatte, würde er ihn austreiben.
    »Monsignore, bitte, es ist kalt. Hier oben bleibt der Winter immer recht lang. Setzt Euch doch zu mir ans Feuer.«
    Sampieri ließ die Brüstung der Galerie los, die den Palazzo des Erzbischofs von Embrun zierte. Ein stattliches Gebäude, wehrhaft und architektonisch interessant, barg es doch die Wohnräume des Erzbischofs, seinen Amtssitz und auch ein Gefängnis, in dem ein Ketzer auf seine Vernehmung wartete. Erzbischof Antoine de Lévis de Château-Morand konnte wahrhaft stolz sein auf seine Stadt. Mit ehrerbietig geneigtem Haupt trat der Monsignore in den Salon seines erzbischöflichen Gastgebers. »Ihr seid zu gütig, Exzellenz.«
    Er raffte seine schlichte schwarze Soutane und ließ sich
auf einem Stuhl vor dem Kamin nieder. Das prasselnde Feuer vertrieb die feuchte Kälte, die bis zu den Knochen durchzudringen schien. Der Erzbischof lächelte und schnippte mit den Fingern, worauf ein livrierter Knabe mit einem Tablett zu ihnen trat und ein nach Kräutern und Gewürzen duftendes Getränk servierte. »Kein Wein, Monsignore, aber es kommt dem sehr nahe. Man sagte mir, dass die Mönche im Orient das Rezept erfunden haben.«
    Sampieri führte den Becher zum Mund und nippte an dem aromatischen Gebräu, das würzig und mild zugleich war und ihn mit wohltuender Wärme durchströmte. »Ausgezeichnet.«
    »Nicht wahr? Schließ das Fenster. Sollen wir hier etwa erfrieren?!«, fuhr der Erzbischof im nächsten Moment den jungen Diener an, der zusammenzuckte und sofort zur Galerie lief, um die Läden zu schließen. Antoine de Lévis war ein kräftiger Mann in den besten Jahren, der zur Fülle neigte. Volle geschwungene Lippen zeugten von einem genussreichen Leben, unter schweren Lidern lauerten jedoch wache Augen, denen nichts entging. Über dem erzbischöflichen Rock trug er einen pelzgefütterten Mantel. Den rechten Fuß, der geschwollen war, hatte er auf ein Fußbänkchen gelagert. Flandrische Tapisserien, schweres Mobiliar und prächtige silberne Kandelaber zeugten vom Wohlstand des hohen Kirchenmanns.
    Die Dinge entwickelten sich gut, seit er den jungen Guy de Mallêt getroffen hatte. Sampieris Befürchtungen, hier in Frankreich nichts ausrichten zu können, hatten sich nicht bewahrheitet und sich sogar ins Gegenteil verkehrt. Sicher war das vor allem der unerschütterlichen Treue Kardinal Tournons zu Seiner Heiligkeit zu verdanken. Dieser Kardinal war ein Glücksfall für die Kirche, skrupellos und unnachgiebig gegenüber Ketzern. Dieses Übel musste wie Unkraut mit
der Wurzel ausgerissen und für immer ausgerottet werden. Niemand durfte sich erdreisten, die Hoheit der heiligen römischen Kirche und ihrer Diener anzugreifen.
    »Nun, Monsignore, was haltet Ihr von unserem Städtchen?« »Ihr habt eine wundervolle Kathedrale. Notre Dame du Réal ist ein Juwel romanischer Baukunst, und die Wandmalereien in der Franziskanerkirche sind sehenswert, keine Frage.«
    Der Erzbischof verzog die Lippen. »Ich hatte meine Frage auf die Einwohner bezogen. Sind sie

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