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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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informieren.
    »Ach ja, die Schwangere. Es geht ihr nicht gut, und ich befürchte fast, sie wird es nicht bis zur Hinrichtung schaffen.« Der Kleriker stützte sich auf seinen Gehstock, dessen Knauf vergoldet war. »Gib mir ein Tuch und träufle von dem Duftwasser darauf!«, befahl er dem Jungen an seiner Seite, der sofort ein besticktes Seidentuch und einen winzigen Flakon aus einem Beutel zog. Geschickt zog der Junge den kleinen Stopfen heraus und benetzte das Tuch mit der Essenz. Der Erzbischof hielt sich das Tüchlein vor die Nase. »Dieser Gestank hier ist kaum zu ertragen!«
    Als der süßliche Geruch, eine Mischung aus Veilchen und Moschus, zu Armido drang, konnte er sich nicht länger beherrschen und übergab sich, wobei er die erzbischöflichen Füße nur knapp verfehlte.
    »In Gottes Namen, gebt doch Acht!«, rief Lévis de Château-Morand angewidert und wedelte mit seinem Tuch.
    Armido stützte sich mit einer Hand auf dem Boden ab, wischte sich den Mund, wobei er das Erbrochene in seinem Bart verschmierte, und wiederholte seine Bitte: »Darf ich zu meiner Frau?«
    »Ihr habt doch hoffentlich nicht die Cholera?« Der Erzbischof gab einem der Wärter ein Zeichen, Armido zu helfen. »Streckt die Zunge vor!«
    Armido tat wie geheißen.

    Erleichtert wedelte der Geistliche mit seinem Dufttuch. »Sie ist von normaler Farbe. Ihr dürft eine Stunde mit Eurer Frau sprechen. Die Scheiterhaufen werden schon morgen brennen, warum sollte ich da nicht gnädig sein.« Damit wandte er sich um und humpelte davon.
    Schon morgen! Doch die Freude über das Wiedersehen mit seiner Frau verdrängte die Todesangst, und Armido nahm kaum wahr, wie der Knecht seine Fußfessel aufschloss. Gleich würde er sie sehen! »Wasser, bitte, ich möchte mir das Gesicht waschen«, sagte er zu dem Wärter, einem dicklichen Mann mit gleichgültiger Miene.
    »Komm mit. Dort vorn kannst du dich säubern. Stinkst wie ein ganzer Schweinekoben!«
    Der Wärter führte ihn aus der Nische, in der er auf einem Haufen Stroh gehockt hatte, in eine gewölbte Halle, von der aus sternförmig verschiedene Gänge abführten. An einem Wandstück befand sich ein steinernes Becken mit einem Pumpenschwengel. Armido betätigte die Pumpe und ließ eiskaltes Wasser über Kopf und Oberkörper laufen. Er spülte den Mund aus und trank von dem frischen Wasser, um sich danach die Haare aus dem Gesicht zu streichen.
    »Sidrac! Isabeau!«, rief er plötzlich laut und erhielt sofort Antwort.
    »Armido! Ich bin hier drüben!«, ertönte Sidracs Stimme.
    Armido sah den Wärter an, der die Schultern zuckte und sich abwandte. »Ich muss pinkeln. Wenn ich mich umdrehe, bist du wieder hier!«, befahl er.
    Er brauchte nicht zu befürchten, dass Armido floh, denn zum einen wollte dieser seine Frau sehen, und zum anderen waren alle Ausgänge des Kerkers bewacht, die winzigen Fenster vergittert und über Mannshöhe angebracht. So schnell es sein Zustand erlaubte, rannte Armido in den Gang, aus dem er Sidracs Stimme vernommen hatte.

    »Sidrac!«, sagte er und entdeckte eine Hand, die sich ihm aus einer der mit schwerem Gitterwerk verriegelten Zellen entgegenstreckte. Armido ergriff die Hand und musste einen Schrei unterdrücken, als er seines Freundes ansichtig wurde. Der Arzt und Prediger schien um Jahre gealtert. Die Haare hingen ihm strähnig ums Gesicht, die Wangen waren eingefallen, ein Auge war zugeschwollen, die einstmals stolze Gestalt des Arztes wirkte kleiner und gebeugt. Sidrac hielt Armidos Hand fest. »Du bist hier. Wie geht es Suzanne und den Kindern?« Traurig glitt sein Blick über Armido, an dessen Körper die Folter Spuren hinterlassen hatte.
    »Mein Freund, deiner Familie geht es gut. Élie, Jacob und Hugues sind tot.« Armido schloss für einen Moment die Augen. »Jules ist schwer verwundet, aber er kommt durch. Ich muss gehen, Sidrac.«
    Er musste sich von Sidrac losreißen, weil der ihn nicht gehen lassen wollte und das Gesicht schluchzend gegen die Gitterstäbe drückte. Eilig ging Armido zur Pumpe zurück, wo der Wärter bereits nach ihm Ausschau hielt. »Hier lang!«
    Aleyds Zelle lag gegenüber dem Gang, in dem sich Sidracs Zelle befand. Auch dort waren die vorderen Fronten der Verliese vergittert, so dass die Wärter jederzeit sehen konnten, wie es um die Gefangenen bestellt war. Die Frauen, die hier auf ihr Schicksal warteten, lagen oder hockten mit leerem Blick auf schmutzigem Stroh. Der Gestank war auch hier unerträglich. Ratten liefen furchtlos über

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