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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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ein Junge ist. Was hältst du davon?«
    »Ja, mein Herz«, flüsterte er mit brechender Stimme und drehte sie zu sich um. Ihre schönen meerblauen Augen waren nass, und ihre Lippen zitterten, als er sie küsste.
    Plötzlich zuckte sie zusammen und legte die Arme um ihren Leib.
    »Aleyd!«
    Sie atmete schnell und stoßweise und verzog schmerzvoll das Gesicht. Er hielt ihren Kopf und strich über ihre Stirn, bis die Kontraktionen vorüber waren.
    »Mach dir keine Sorgen, Armido. Das ist normal. Unser Kind ist ungeduldig und will seine Eltern sehen.« Sie brachte ein Lächeln zustande und griff nach seiner Hand. »Ich wünsche es mir so sehr, Armido. Und ich möchte es aufwachsen sehen.«
    »Wir werden ihm gute Eltern sein, Aleyd.« Er wollte ihren Namen sagen, immer und immer wieder, und sie dabei ansehen, und während er das dachte, wurde ihm bewusst, dass Gott nicht in seinen Gedanken war. Vielmehr wuchs der Hass auf diejenigen, die schuld an ihrem Unglück waren.
    Las sie die Zweifel und die Schuldgefühle in seinen Augen? »Gott hat uns nicht verlassen, Armido. Zweifle nicht an
deinem Glauben, denn ich tue es auch nicht. Wir dürfen den Hass nicht in unser Herz lassen. Nicht einmal in der Stunde höchster Not.«
    Wie konnte sie nur so fest an einen Gott glauben, der sie doch vergessen hatte? Sie hatten alles für ihn aufgegeben, sich demütig den Geboten der Heiligen Schrift gebeugt und gelebt, was Christus predigte. Der Lohn dafür waren Verfolgung, Folter und Mord.
    Sie hustete und setzte sich auf. Armido half ihr und legte ihr den Arm stützend um den Rücken.
    »Armido, ich liebe dich, und ich liebe Gott.« Sie faltete seine Hände und umschloss sie mit ihren. Dann sah sie ihm in die Augen und begann das Paternoster zu sagen. Armido fiel ein, doch die Worte kamen automatisch und hatten nichts mit seinen Gedanken gemein.
    »Amen«, murmelten sie.
    Er küsste sie und bewunderte ihre Stärke. »Wenn ein Wunder geschieht, das uns rettet, dann glaube ich …«
    Sie drückte sanft ihren Zeigefinger gegen seinen Mund und zog ihn in die Arme. Diesmal war sie es, die ihm Halt gab und ihm Mut machte.
    Doch ihre Zweisamkeit wurde jäh unterbrochen, als der Wärter seinen Knüppel die Gitterstäbe entlangrasseln ließ. »So, ihr Turteltäubchen, genug gegurrt. Komm schon, Mann, sonst hole ich dich, aber meine Hände sind nicht so zart wie die deiner Holden!« Er lachte laut, doch seine Haltung duldete keine Widerworte.
    Armido legte die Hände um das Gesicht seiner Frau und sah ihr in die Augen. »Nichts kann uns trennen«, flüsterte er.
    Aleyd nickte stumm, während ihr die Tränen über die Wangen liefen. Er stand auf, drehte sich abrupt um und ging auf den Wärter zu, der die Tür hinter Armido ins Schloss warf, den Schlüssel umdrehte und ihm einen Stoß gab, damit
er sich in Bewegung setzte. Plötzlich ertönte ein herzzerreißender Schrei, und Aleyd stürmte an das Gitter.
    »Armido!«, rief sie und streckte die Hände hindurch.
    Es gelang ihm, sie einmal kurz zu ergreifen, dann stieß der Wärter ihm den Knüppel in den Rücken.
    »Geh schon! Und du, hör auf zu weinen, morgen ist es sowieso vorbei!«
    »Morgen schon?! O Gott! Armido!«, schrie Aleyd, doch er konnte ihr nicht antworten, denn der Wärter schlug ihm immer wieder mit dem Knüppel auf die Schultern, dass er nach Luft ringen musste und Mühe hatte, aufrecht durch den Gang zu wanken.
    »Ich werde dir Beine machen! Ketzerpack!«, brüllte der Wärter.
    Benommen von den Schlägen, lag Armido kurz darauf wieder angekettet auf dem Stroh in seiner Nische und rief sich jede Einzelheit seiner Begegnung mit Aleyd ins Gedächtnis zurück. »Sei stark, Aleyd«, murmelte er, bevor die Ohnmacht sich gnädig um Schmerzen und Erinnerungen hüllte.

XXXIV
    Höllenfeuer
    D ie Route durch die Alpes de Provence war schwierig und anstrengend für Menschen und Pferde gewesen. Von Castellane aus waren Luisa und Gérard dem Verdon gefolgt, dessen Wasser über Jahrtausende die kargen Kalksteinmassive ausgewaschen hatten. Mächtig und erdrückend ragten die bizarren Formationen über ihnen auf, während sie auf einem ausgetretenen Pfad den Fluss entlang nach Colmars, einstmals Grenzort von Savoyen, und von dort an Barcelonnette vorbei nach Les Thuiles geritten waren. Das Gebirge hatte sie einen Tag gekostet, und die Strecke an der Ubaye mitten durch das Hochgebirge war nicht weniger aufreibend.
    Durch eine Lawine waren sie zu einem weitläufigen Umweg gezwungen worden, und

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