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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Gérards Pferd begann zu lahmen, so dass sich ihr Reisetempo erheblich verlangsamte. In Gérards Gegenwart fühlte Luisa sich sicher. Instinktiv schien er immer dann zu verschwinden oder sich abzuwenden, wenn sie sich umkleiden wollte. Nur selten dachte sie daher an ihre Hosenrolle, mit der sie inzwischen vertrauter war als mit ihrem Frausein.
    Sie hatten lange überlegt, ob sie das Begnadigungsschreiben einem Kurier anvertrauen sollten, doch der wäre kaum schneller, und das Risiko, dass er bestochen wurde oder einem Überfall zum Opfer fiel, war nicht geringer als das, das
sie eingingen, wenn sie selbst nach Embrun ritten. Guy de Mallêt konnte nicht wissen, wohin sie aufgebrochen waren, und sie hatten auch keine Verfolger bemerkt.
    Da Luisa und Gé rard nach fünf Tagen auf der Straße abgerissen aussahen und keine Waren bei sich führten, schienen sie keine allzu begehrliche Beute für Wegelagerer, doch verlassen konnte man sich darauf nicht, zudem besaßen sie Pferde und Waffen, die es zu stehlen lohnte. Gé rard war äußerst wachsam. Jetzt streckte er den Arm aus und zeigte auf eine kleine Karawane von bunt gemischtem Volk, die sich langsam auf Embrun zubewegte. »Sieh dir das an! Die sensationslüsternen Gaffer sind schon unterwegs!«
    Luisa runzelte die Stirn und schnalzte mit der Zunge, um ihr Pferd ein letztes Mal zu fordern. Heute war Pfingstsonntag!
    »Wir dürfen nicht zu spät kommen, Gérard! Es sind so viele, wie sollen wir an ihnen vorbei in die Stadt gelangen?«
    »Immerhin sind sie noch unterwegs, was bedeutet, dass es noch nicht angefangen hat.«
    »Aber was ist, wenn die Urteile schon verlesen sind? Können sie Armido dann noch begnadigen?«
    »Natürlich! Ihr habt einen königlichen Gnadenerlass in den Händen. Den darf niemand ignorieren, auch die Kirche nicht, schon gar nicht in Frankreich! In Spanien wäre das vielleicht anders.« Er gab seinem Pferd ebenfalls die Sporen und drängte es den Hügel hinunter zwischen die Schaulustigen, darunter waren zahlreiche Kinder und gebrechliche Alte, die sich mühsam mit ihren Krücken vorwärts schleppten. Händler mit Süßwaren und Wein hofften auf gute Geschäfte.
    Luisa erwehrte sich mit Mühe eines Bettlers, der an ihrem Sattelgurt riss, und preschte einige Meter vor.
    »Lass uns im Wasser reiten!«, rief sie Gérard zu, der zustimmend nickte.
    Solange das Ufer der Durance flach abfiel und der Fluss
nicht allzu tief wurde, kamen sie im Wasser schneller voran als auf der überfüllten Straße. Kurz vor Embrun zügelte Luisa ihr Pferd und klopfte dem braven Tier beruhigend auf den Hals.
    »Und wie kommen wir bis zum Richtertisch? Sampieri kennt mich!« Sie zog das Barett tiefer ins Gesicht, griff in den Beutel an ihrem Gürtel und zerrieb etwas Zeichenkohle zwischen den Fingern. Damit schmierte sie sich Kinn und Wangen ein, um Bartwuchs vorzutäuschen.
    »Lasst das meine Sorge sein. Außerdem wird er kaum mit Euch rechnen. Seht Ihr die reichen Bauern dort vorn?« Einige gut gekleidete Landleute strebten auf das äußere Stadttor zu. Zwei Frauen saßen auf gutmütigen Arbeitspferden, das Familienoberhaupt ritt mit erhobenem Haupt auf einem Schecken.
    Luisa und Gérard schlossen sich dem Gefolge der betuchten Landleute an. Als die Reihe an ihnen war und der Wächter nach ihren Namen fragte, wiederholte Gérard den Namen der Familie und nuschelte: »Wir sind Cousins aus Arles und …« Anscheinend zufrieden mit der Erklärung winkte der Wächter sie durch.
    Sie waren abgestiegen und führten ihre Tiere nun am Zügel. Leise sagte Luisa: »Der hält uns tatsächlich für Verwandte von diesen Leuten. Wie war der Name?«
    Gérard wollte etwas sagen, hob stattdessen jedoch die Hand. Sie waren mit den Schaulustigen eine enge Gasse zur Kathedrale hinaufgegangen. Der Turm von Notre Dame du Réal überragte alle Gebäude Embruns, doch was ihnen den Atem stocken ließ, war nicht die beeindruckende lombardische Architektur, sondern das farbenprächtige Schauspiel, das sich ihnen auf dem Platz vor der Kirche bot.
    »Steigt auf den Rücken Eures Pferdes und sagt mir, was Ihr seht!«, schlug Gé rard vor.

    Die Menge schob sich immer weiter, doch Gérard brachte die Pferde an einer Hausmauer zum Stehen, wo er beruhigend auf sie einsprach. Inzwischen vertraut mit ihrem Tier, schwang Luisa sich in den Sattel, hockte sich auf und balancierte schließlich auf seinem Rücken. Als das Pferd sein Gewicht verlagerte, geriet Luisa aus dem Gleichgewicht, erwischte jedoch die

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