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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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die zum Teil regungslosen Körper und zuckten nur zurück, wenn der Wärter mit seinem Knüppel nach ihnen schlug. In einer Ecke lag eine Gestalt, die Armido bekannt vorkam. »Isabeau?«
    Das menschliche Häuflein regte sich, und Isabeaus Gesicht kam unter einer Flut verfilzter roter Haare zum Vorschein. Sie brachte ein unverständliches Krächzen heraus, und Armido sah, dass man ihr mehrere Zähne herausgebrochen
hatte. Die schmalen Glieder waren mit Wunden und Blutergüssen übersät, und Armido, der das anzügliche Grinsen des Wärters wohl bemerkte, schauderte.
    Der Wärter schlug mit seinem Knüppel gegen das Gitter. »Na, mein Täubchen? Das hochmütige Getue haben wir dir ausgetrieben!« Er lachte rau und machte eine eindeutige Geste.
    Isabeau spuckte aus, zog die Beine an ihren Körper und wiegte sich hin und her, wobei ihre langen Haare sie umgaben wie ein schützendes Gewand. Ihr Blick war abwesend und nach innen gerichtet, und Armido trat zurück, um sie nicht noch weiter zu beschämen. An der nächsten Zelle ging der Wärter wortlos und ohne hineinzusehen vorbei.
    Armido trat neugierig näher und erkannte die schöne Aziza, die mit gekreuzten Beinen würdevoll auf dem Boden saß. Ihre Augen waren klar und voll ungebrochenen Stolzes. Erkennen flammte in ihnen auf. »Monsieur Armido!«, sagte sie mit ihrer rauchigen Stimme.
    »Euer Mann lebt und wird Euch befreien!«, sagte Armido leise, obwohl er nicht wusste, ob es überhaupt in Arnauds Macht lag, seiner Frau zu helfen.
    Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. »Ich weiß.«
    »So, hier ist es!«, rief der Wärter, und Armido eilte zu ihm. »Die dort vorn hat den bösen Blick«, sagte der Mann ängstlich und schaute sich nach Azizas Zelle um, als sei der Teufel hinter ihm her. »Sie hat uns verflucht!«, flüsterte er und machte ein Zeichen zur Abwehr des Bösen.
    Und vielleicht wirkt ihr Fluch, und ihr alle krepiert an der Pestilenz, dachte Armido und trat in Aleyds Zelle, die der Wärter ihm aufgeschlossen hatte.
    »Aleyd!« Mit drei Schritten war er bei seiner Frau, die mit dem Rücken zum Gitter auf einem Lager aus Stroh und groben Wolldecken lag. Ihre Bettstatt sah damit unwesentlich
bequemer aus als die ihrer Leidensgenossinnen. Das Verlies war kaum breiter als Aleyds Lager und vier Schritte tief. In einer Ecke stand ein Eimer, der Abort, aus dem bestialischer Gestank durch einen aufgelegten Deckel drang. Ein umgefallener Becher und eine Holzschüssel, in der er Reste eines Graupenbreis auszumachen glaubte, standen auf der anderen Seite. Erst als sich die vermeintlichen Graupen bewegten, begriff Armido, dass es Maden waren. Mit dem Fuß stieß er die Schüssel zur Seite und beugte sich zu seiner Frau.
    Sanft berührte er ihre Schulter. Krachend fiel die Tür ins Schloss.
    »Weniger als eine Stunde bleibt dir noch, weil du auf dem Hinweg getrödelt hast, verstanden?« Zur Bekräftigung seiner Worte schlug der Wärter mit seinem Knüppel gegen das Gitter.
    Aleyd bewegte sich leicht. Ihre hellbraunen Locken waren geflochten, und nur einzelne Strähnen sahen unter einer Haube hervor. Selbst in ihrem Zustand und an diesem unchristlichen Ort sorgte sie sich um ein anständiges Äußeres. Vorsichtig legte Armido sich neben sie und flüsterte in ihr Ohr: »Aleyd, wovon träumst du?«
    Zärtlich glitt seine Hand um ihren runden Leib, in dem sich ihr Kind regte. Ihre Hand schob sich auf seine. »Wenn das nur ein Traum ist, dann lass ihn niemals enden.« Sie führte seine Hand an ihre Lippen, küsste sie und benetzte sie dabei mit ihren Tränen.
    Schluchzend verbarg er das Gesicht in ihrem Nacken und drückte die Lippen auf ihre warme Haut. »Geliebte, wohin wir auch gehen werden, unser Traum wird niemals enden. Wer von uns zuerst im Garten des ewigen Friedens und der unendlichen Liebe ist, wird auf den anderen warten.«
    Eine ganze Zeit, die beiden wie eine Ewigkeit erschien, lagen sie in inniger Umarmung. Doch Armido konnte die
drohende Rückkehr des Wärters nicht vergessen. »Dein Bruder lebt, Aleyd. Suzanne, Marie und die Kinder sind in Sicherheit.«
    »Wo sind sie?«, flüsterte sie.
    »Bei einem Köhler am Mourre Froid.«
    »Das ist gut, dorthin werden die Soldaten nicht kommen. Und Élie, Jacob und …?«
    »Nein«, murmelte er kaum hörbar und streichelte ihren Bauch. »Wir brauchen einen Namen für unser Kind, Aleyd.«
    Sie drückte seine Hand, und er spürte, wie sie gegen das Weinen ankämpfte. »Julie, wenn es ein Mädchen ist, und Armand, wenn es

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