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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Dachtraufe des Hauses hinter ihr und fing sich wieder.
    »Was seht Ihr?«
    »O Gott!« Mit offenem Mund starrte sie auf den Platz, auf dem zwei Bühnen aufgebaut waren. Alles, was in Embrun Rang und Namen hatte, schien sich versammelt zu haben. Zwei Mönche trugen die Standarte, ein scharlachrotes, mit Silberspitzen und Quasten umrandetes Taftrechteck mit dem Wappen der Inquisition, und pflanzten sie auf der Bühne der Ehrentribünen auf. Luisas Blick glitt über die wogende Menschenmenge, entdeckte die Soldaten des Erzbischofs, welche die Ehrentribüne bewachten, und ein Pult, auf dem ein großes Buch, ein Kasten mit Schriftrollen und verschiedene liturgische Gegenstände lagen, die golden in der Sonne glänzten. Die Sonne blendete sie, doch sie meinte, unter einem roten Baldachin Monsignor Sampieri neben dem Erzbischof zu erkennen, den seine Bischofsmütze und die violette Robe hervorhoben.
    Die Bürger Embruns lauschten den Worten eines Priesters, der sich mit ausgebreiteten Armen vor sie gestellt hatte. Luisa konnte ihn nicht verstehen, denn die Menschen um sie herum begannen zu johlen und zu schreien, als Soldaten auf die zweite Bühne marschierten und die Verurteilten brachten.
    »Armido!«, entfuhr es ihr, doch sie verschluckte den Schrei und biss sich auf ihre zur Faust geballte Hand.
    »Ich kann ihn sehen! Sie haben ihm die Haare geschoren!«

    »Das machen sie mit allen Verurteilten. Hat er auch ein weißes Hemd an?«
    »Ja.« Luisa konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten.
    Gérard griff hart nach ihrem Knöchel. »Reißt Euch zusammen! Wir dürfen nicht auffallen!«
    Neben ihnen standen zwei Mägde und ein Stadtbüttel, die sich bereits nach ihnen umsahen. Der Stadtbüttel, kenntlich durch seine Schärpe und den schwarzen Hut, hakte die Daumen wichtigtuerisch in seinen Gürtel, an dem das amtliche Siegel hing. »Kennt Ihr etwa einen der Delinquenten?«
    »Gott behüte!«, sagte Gérard und brachte ein abfälliges Lachen hervor. »Aber mein Kamerad hat einen Freund von uns in der Menge vorn an der Bühne entdeckt. Sagt, Monsieur, wie können wir weiter nach vorn gelangen? Mein junger Freund hier hat noch nie solch ein bewegendes Schauspiel gesehen.«
    Die finstere Miene des Büttels erhellte sich. »Schade, dass ihr heute Morgen nicht hier wart. Es gab eine Prozession, wie wir sie hier in Embrun schon lange nicht mehr erlebt haben!«
    Eine der Mägde fügte begeistert hinzu: »Die Glocken haben geläutet, und dann sind Mönche und Priester mit Kerzen in den Händen durch die geschmückten Straßen gegangen und haben Gottes Lob gesungen. Dahinter kamen die Würdenträger mit den Standarten und natürlich Soldaten mit glänzenden Hellebarden. Und die Ketzer haben sie auf einem Karren vorgeführt. Gestunken haben die! Ketzer stinken, weil der Geschmack der Vorhölle an ihnen klebt. Oh, das war ein Anblick!«
    »Und die Trauermesse war unvergleichlich! Der Inquisitor hat sehr streng zu den Ketzern und auch zu uns gesprochen. Ich bekam eine richtige Gänsehaut, als er die vielen furchtbaren Strafen aufzählte, die auf arme Sünder in der
Hölle warten«, sagte die andere Magd, kicherte und strich über ihren hellen Rock, den sie zur Feier des Tages frisch angezogen hatte.
    Gott helfe den schlichten Gemütern, dachte Luisa.
    »Wo kommt ihr überhaupt her?« Der Büttel musterte ihre staubige Kleidung.
    Luisa bückte sich, doch Gérard legte die Hand auf den Sattel und sagte schnell: »Lyon. Wir hatten in Gap Handel zu treiben und haben einen Abstecher nach Embrun gemacht, weil wir uns diese Gelegenheit nicht entgehen lassen wollten.«
    »Ah, na ja. Müsst euch schon selbst nach vorn durchschlagen.« Damit war das Interesse des Büttels an ihnen erloschen, und Gérard nickte zum Abschied. Dann zog er die Pferde von der Mauer fort ins Gedränge. Luisa rutschte in den Sattel und beugte sich zu Gé rard.
    »Er fand uns doch nicht verdächtig?«
    »Euer italienischer Akzent hätte den Kerl vielleicht auf dumme Gedanken gebracht. Auf den Kopf gefallen schien er mir nicht.«
    Luisa blieb im Sattel sitzen und überließ es Gé rard, sich mit den Leuten auseinanderzusetzen, die unwirsch reagierten, wenn sie von den Pferdehufen getreten wurden.
    »Eh, bringt die Pferde heraus!«, schrie ein breitschultriger Mann, an dessen Gürtel ein Hammer hing.
    Mit dem war nicht zu spaßen, und sie mussten einsehen, dass sie mit den Tieren nicht weiterkamen. Gé rard sah sich unschlüssig um und winkte Luisa abzusteigen. Sie

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