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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Der schreckliche Anblick der Gruben von Embrun mit den unter Kalksand verwesenden Leichen stand ihr noch vor Augen. »Nein. Das hat er nicht verdient«, flüsterte sie.
    »Immerhin läge er dann in geweihter Erde«, meinte Gérard.
    »Nun. Unser seliger Pfründner, Monsieur Flammant, wird
morgen mit allen Ehren bestattet. Wir könnten Eurem seligen Bruder dieselben Ehren zuteil werden lassen. Monsieur Flammant ist der letzte Träger des Familiennamens, und die Flammants besitzen seit Generationen eine Gruft in der Kirche.« Er legte die Fingerspitzen seiner gefalteten Hände an die Lippen.
    »Wie?«, fragte Luisa, doch Gérard nahm sie am Arm und zog sie zur Seite.
    »Einen Moment, Bruder.«
    Der Mönch nickte und drehte sich zum Tisch.
    Gérard sagte mit gesenkter Stimme: »Hört gut zu, Luca. Dieser Mann bietet uns eine unverhoffte Möglichkeit, Eurem Bruder ein christliches Begräbnis zu geben, ohne dass Ihr in Gefahr geratet.«
    »Aber wie soll das gehen? Armido würde doch namenlos im Grab dieses Fremden …« Sie machte eine vage Handbewegung und schluchzte.
    » Sorellina , war es nicht das, was Euer Bruder gesagt hat?« Er sah sie eindringlich an. »Ich bin nicht blind und habe mir selbst meine Gedanken gemacht, vor allem, weil Robert mich gebeten hat, besonders auf Euch Acht zu geben.«
    »Er hat es dir gesagt?«, flüsterte sie.
    »Nein, aber wir sind zusammen gereist, und Euer Verhalten, nun ja, und jetzt …« Sein Blick wurde weich. »Luca, es ist eine gute Lösung. Besser als ein Armengrab oder ihn im Wald zu verscharren. Was sollen wir denn sonst tun?«
    »Könnte ich ihn nicht nach Hause bringen?«
    »Wohin, nach Siena? Er hat doch selbst gesagt, dass er hier seine Heimat gefunden hat. Seine Frau und sein Kind sind in französischer Erde begraben.«
    »Aber seine Familie …«
    »Er hat seine Familie hier verloren. Und denkt nur an den langen Weg und die Hitze!«

    Die praktische Seite hatte sie nicht bedacht. Der Leichnam würde innerhalb kürzester Zeit zu verwesen beginnen, und allein die Vorstellung war entsetzlich.
    »Wären die Zeiten anders, hätten wir ihn in die Gemeinde seiner Frau gebracht. Aber im Piemont fanden Vertreibungen von Vaudois statt, und ich weiß nicht, wie es um den Luberon bestellt ist. Ob Katholiken oder Protestanten, wir sind alle Christen, oder nicht?«
    Sie sah zu dem alten Mönch, der zwei Kerzen entzündete und in ein stilles Gebet vertieft schien. Wie sollte sie Pietro ihre Entscheidung erklären? Immerhin konnte sie ihm auf diese Weise verschweigen, dass Armido konvertiert war, denn ihre Familie würde das niemals verstehen. »Denkst du, der Mönch lässt zu, dass Armidos Initialen auf der Grabplatte eingemeißelt werden?«
    Gérard seufzte erleichtert. »Fragen wir ihn.«
    Sie besprachen die Einzelheiten des Begräbnisses mit dem Mönch, der keine Einwände gegen Luisas Wunsch hatte. Unter dem Namen und dem Sterbedatum des Notars würden die Initialen A. P. stehen, und niemand außer dem Mönch, Gérard und Luisa würde je wissen, was die Buchstaben bedeuteten. Luisa übergab dem Mönch die Hälfte ihrer Goldfranken, die Meister Rosso ihr mit auf den Weg gegeben hatte.
    »Aber wir müssen ihn noch heute Nacht in die Gruft der Flammants schaffen«, sagte der Mönch. »Ihr geht jetzt zu Schwester Barbara und lasst Euch verarzten und verpflegen. Man wird Euch eine Kammer für die Nacht anweisen, und nach den Vigilien treffen wir uns hier wieder. Zwischen den Vigilien und dem Morgengebet schlafen die Brüder und Schwestern fest. Ich kümmere mich um Euren Bruder. Soll er diese Kleidung anbehalten? Wir können ihn waschen.«
    Gérard nickte. »In den Satteltaschen ist frische Kleidung.«

    »Aber bitte, wickelt ihn danach wieder in den Umhang und deckt mit der Kapuze seinen Kopf ab«, sagte Luisa und zupfte an dem Stoff, so dass man den kahlrasierten Schädel nicht sah.
    Als sie nach dem Essen in der kleinen Kammer auf ihren Holzpritschen lagen und auf das Läuten zu den Vigilien warteten, sagte Luisa leise in die Dunkelheit: »Können wir diesem Blasius wirklich vertrauen?«
    »Er bringt sich selbst genauso in Gefahr, wenn sie ihn erwischen, wie uns. Aber ich glaube fast, er macht das nicht zum ersten Mal. Vielleicht hat er so schon Selbstmördern oder sonst wem zu einem christlichen Grab verholfen. Dass er dafür Geld annimmt und damit die Armen und Kranken pflegt, wiegt seine Sünden irgendwie wieder auf, finde ich.«
    »Glaubst du an die heilige römische

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