Die Malerin von Fontainebleau
Sarg hinten in der Ecke.«
»Ja, ja, macht schnell, es beginnt bereits zu dämmern«, drängte der Mönch.
»Jetzt müssen wir gemeinsam anpacken«, sagte Gé rard zu Luisa.
»Da hinein?«
»Ja. Da Monsieur Flammant der letzte Vertreter seiner Familie ist, wird niemand jemals wieder diese Gruft öffnen und kontrollieren, wer hier bestattet wurde.«
Sie bekreuzigte sich und griff nach Armidos Füßen. Auf Gérards Zeichen hievten sie den Körper in den offenen Sarg, wobei das Skelett unter dem Gewicht des frischen Leichnams knackte und sie Knochen splittern hörten. Obwohl ihre Hände schweißnass und kaum ruhig zu halten waren, ordnete sie die Kleidung ihres Bruders, zog die Kapuze über sein Gesicht und murmelte dabei das Paternoster. »Verzeih mir, Armido!«
Dann schob sie mit Gé rards Unterstützung den Sargdeckel zurück, wobei die Steinflächen aneinander schliffen und kratzten, dass sie fürchtete, ganz Chorges würde davon erwachen. Mit einem dumpfen Ton, der die gesamte Gruft zu erschüttern schien, ruckte der Deckel in seine Ausgangsposition.
»Löscht das Licht!«, rief Bruder Blasius plötzlich von oben.
Gérard tat wie geheißen, und angespannt standen sie unterhalb des Loches und horchten in das Kirchenschiff hinauf.
»Was treibt Ihr zu dieser Stunde hier, Bruder? Seltsame Geräusche haben mich aus dem Schlaf gerissen.« Die Stimme klang unwirsch und strafend.
»Oh, Vater Marius, welche Überraschung!«
»Und wieso steht Ihr hier im Dunkeln? Das ist sehr merkwürdig, Bruder!«
»Und dabei habe ich mir die größte Mühe gegeben, keinen Laut von mir zu geben! Mir ist die Lampe in die Gruft gefallen, weil ich sehen wollte, ob für morgen früh alles gerichtet ist. Wisst Ihr, Vater, Bruder Antoine vergisst immer irgendetwas. Er ist ein herzensguter Junge und, wenn es um seine Pferde geht, äußerst zuverlässig, wirklich, aber Ihr habt ein Licht. Das ist gut, Vater, dann komme ich gleich mit Euch zurück …« Die Stimmen entfernten sich, und Gérard und Luisa atmeten auf. »Ich muss hier heraus, sonst fange ich an zu heulen und zu schreien«, sagte Luisa und tastete sich auf die Leiter zu.
Mit Hilfe des Mondlichts und der aufkommenden Dämmerung fanden sie den Weg aus der Kirche hinaus und zurück in den Hof. Dort wartete Blasius an der Pforte auf sie.
»Welch ein Segen, der Vater hat keinen Verdacht geschöpft. Aber Ihr solltet heute früh die Ersten sein, die das
Hospital verlassen. Es wird bald zu den Laudes läuten. Ihr findet Antoine im Stall bei den Tieren. Richtet es so ein, dass Ihr vor den Laudes zum Tor hinaus seid.«
Der alte Mönch geleitete sie über den Hof zurück ins Hospital und gab ihnen dort eine Kerze. »Gott segne Euch. Und zweifelt nicht, dass Ihr das Richtige für Euren Bruder getan habt. Er wird hier seinen Frieden finden. Ich werde ihn täglich in meine Gebete einschließen.«
Luisa neigte den Kopf. »Danke, Ihr wisst nicht, was mir das bedeutet. Es, es ist so viel geschehen …«
Sie standen vor dem Treppenaufgang, und ein Luftzug, der durch die unverglasten Fensteröffnungen wehte, ließ die Kerzenflamme flackern. Für einen kurzen Moment meinte Luisa im gütigen Gesicht des alten Mönchs einen der Heiligen von Meister Rossos Gemälden zu sehen.
»Wir alle haben unsere Geschichte, und manchen prüft der Herr schwerer als andere. Gott schütze Euch!«
Aus dem Krankensaal ertönte ein langgezogenes Heulen. Sie schraken zusammen, doch Blasius lächelte milde. »Eine arme verirrte Seele, die wir davon abhalten konnten, sich in die Fluten der Durance zu stürzen. Ihre fünf Kinder sind an den Blattern gestorben. Aber ich fürchte, sie ist nicht zu retten.« Traurig den Kopf schüttelnd, ging er auf die Doppeltüren des Saales zu.
Während die Türen sich schlossen, hörten sie Schwester Barbara. »Gott mit dir, Bruder. Gut, dass du da bist.«
Müde stiegen Luisa und Gé rard die Stufen in den ersten Stock hinauf. Nach den Strapazen der letzten Tage und einer schlaflosen Nacht lag ein weiterer schwerer Tag vor ihnen.
»Ob sie zurückkommen, um uns auch noch zu töten?«, fragte Luisa leise.
»Daran solltet Ihr nicht einmal denken. Wir packen jetzt zusammen und bringen so viel Wegstrecke wie möglich zwischen
uns und Chorges. Und wenn sich ein passender Platz bietet, machen wir Rast, um den Schlaf nachzuholen.«
Sie raffte den Umhang von der Pritsche, auf dem sie geruht hatte. »Und eine Nachricht für Dufy?«
Gérard schüttelte den Kopf. »Wir sollten nicht
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