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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Kirche?«
    »Ja, das tue ich, aber genauso glaube ich, dass es auch andere Wege gibt, Gott zu dienen. Vor der Inquisition macht mich der Gedanke zum Ketzer, und ich weiß von Robert, dass es nicht immer klug ist, seine Gesinnung öffentlich zur Schau zu tragen.«
    »Dabei halten sich die Vaudois doch bedeckt. Jedenfalls treten sie nicht so laut auf wie die Protestanten in den deutschen Landen oder gar Calvin in Genf.«
    »Die Verbreitung des protestantischen Gedankenguts wird nicht aufzuhalten sein, es fragt sich nur, wie jeder Herrscher damit umgeht. Ich meine, seht Euch Heinrich VIII. an! Der treibt es so toll, dass es beispiellos ist, gründet seine eigene Kirche, nur weil der Papst ihm die Scheidung verweigert hat, und lässt die Köpfe rollen, dass das Schafott gar nicht mehr trocknet.«
    »Aber Franz schien doch so aufgeschlossen! Er liest Bembo und Aretino und die antiken Philosophen! Daheim in Siena hieß es immer, er sei ein toleranter König, einer, unter
dem die Religionen nebeneinander existieren.« Luisa wurde langsam müde, und ihre Augen brannten vom Weinen. »Armido hat auf ihn gebaut.«
    »Und Franz hat ihn begnadigt. Vergesst das nicht! Ich bin nur ein Knecht und nicht derjenige, das Tun eines Königs zu erklären. Aber er ist nicht der Schlechteste. Unter Heinrich hättet Ihr möglicherweise schon Euren Kopf verloren, und Karl hätte Euch in einem seiner Inquisitionsverliese verrotten lassen. Versucht ein wenig zu schlafen. Ich wecke Euch.«
    Sie dämmerte in einem Zustand zwischen Schlaf und Wachen und warf sich hin und her. Ihre Kindheit wurde lebendig, und sie sah Armido in der Werkstatt, wie er ihr das Anfertigen von Schablonen und das Antragen von Stuck erklärte, ihr Zeichenkohle in die Hand drückte und sie Entwürfe machen ließ, die er nicht verwendete, aber mit Lob überhäufte. Und dann hatte er sie mit nach Volterra genommen. Sie war wieder vierzehn Jahre alt und stand neben ihrem Bruder in der Kapelle der Compagnia della Croce di Giorno, der Bruderschaft des heiligen Kreuzes, in San Francesco. »Das ist wahre Kunst!«, hatte Armido gesagt, als sie vor dem Bildnis der Kreuzabnahme standen. RUBEUS FLO war die Signatur der Öltafel, und Armido erklärte ihr, dass dieses Werk von Rosso Fiorentino gemalt worden war, den er sehr verehre, weil in seiner Kunst eine ungezähmte Wildheit und Exzentrik liege, die ihresgleichen suche. Und plötzlich vermischten sich die Gesichter von Armido und Rosso, und Luisa starrte mit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit.
    Der eine der beiden Menschen, die sie am meisten auf der Welt liebte, lag kalt und tot aufgebahrt in einem Armenhospital in einem öden Landstrich eines Landes, das sie zu hassen begann. In der Kirche wurden die Glocken zu den Vigilien geläutet. Zitternd richtete sie sich auf der Pritsche auf, umschlang die Knie mit ihren Armen und wiegte sich
hin und her. »Nicht so, Armido. Nicht so …«, weinte sie bitterlich.
    »Luca«, flüsterte wenig später Gé rard. »Wie ist eigentlich Euer richtiger Name?«
    »Luisa«, kam es kaum hörbar von ihr.
    »Hätte ich mir fast denken können. Kommt. Seid Ihr gefasst genug?« Der Mond leuchtete vom wolkenlosen Nachthimmel und warf silbriges Licht in die Kammer. Gérard stand vor ihr und musterte sie prüfend. »Das ist eine harte Prüfung, aber Ihr seid stärker als mancher Mann, den ich kenne.«
    »Ich sehe mich schon lange nicht mehr als Frau«, schniefte sie. »Bringen wir es hinter uns. Wenn ein christliches Begräbnis alles ist, was ich für meinen Bruder tun kann, dann ist das wenig genug.«
    »Was ich in Armidos Augen gelesen habe, nachdem Ihr aus Embrun gekommen seid, war nichts als tiefe Verzweiflung. Er erschien mir wie ein Gebrochener.« Gérard räusperte sich. »Die Inquisition, wie ich sie in Spanien erlebt habe, bricht jeden, und wer sie überlebt, weiß, wie es in der Hölle ist. Nur, dass man dann die Hölle zeit seines Lebens in sich trägt.«
    »Hat man dich gefoltert, Gé rard?«
    »Nein, aber ich habe Opfern in Madrid geholfen, die den Kammern des Grauens entfliehen konnten. Hört Ihr?« Er horchte in die nächtliche Stille. »Die letzte Tür ist vor einigen Minuten zugefallen. Jetzt schlafen sie alle.«
    Er zündete eine Kerze an und öffnete vorsichtig die Tür. Ihre Kammer befand sich im ersten Stock über dem Krankensaal. Am Ende des Flures brannte eine Lampe, die den Weg zu einer schmalen, ausgetretenen Treppe wies. Gérard ging voran. Aus einigen Türen klangen leise

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