Die Malerin von Fontainebleau
veranstaltet wurde. Bisher hatte Armido noch an keinem der legendären Feste teilgenommen und freute sich auf das außergewöhnliche Ereignis, das eine willkommene Abwechslung von der Arbeit war. Meister Rosso hatte in großzügiger Weise dafür gesorgt, dass auch seine engsten Mitarbeiter eingeladen waren. Armido rieb sich die Stirn. Doch das Schicksal wollte es so, dass ausgerechnet Freitagnacht ein wichtiges Treffen der Gläubigen im Wald stattfand. Jules hatte ihm eine Nachricht gesandt, dass barbe George bereit war, ihn und zwei weitere Männer in die Gemeinschaft aufzunehmen. Noch wusste Armido nicht, was er tun sollte.
Als er in den Durchgang zur Galerie trat, stutzte er. Seltsame Geräusche drangen an sein Ohr. Entweder ein Liebespaar hatte sich hier verbotenerweise verabredet, oder jemand war in Bedrängnis. »Heda!«, rief er und ließ seinen Blick durch den weitläufigen Raum schweifen.
An einem Gerüst standen Besen und Eimer, und in einem Becken verglühten letzte Kohlereste. Armido, der sich auch blind in der Galerie zurechtgefunden hätte, ging zur ersten Bank, neben der er einen Leuchter wusste, und entzündete die Kerzen. Dabei fiel sein Blick auf Luisas Zeichnung. Ein Stück Rötelkreide lag auf dem angefangenen Blatt. Die unterdrückt klingenden Geräusche wurden lauter. Etwas fiel zu Boden, gefolgt von einem Fluch.
Da er in der Galerie niemanden sah, blieben nur die Kabinette. Kaum hatte er sich in Bewegung gesetzt, um nachzusehen, kam auch schon seine Schwester herausgestürmt.
»Armido! O Gott, wie gut, dass du da bist! Er wollte …« Luisa atmete schwer. Ihre Augen waren angstvoll geweitet, und sie klammerte sich an ihren Bruder, der sie hinter seinen Rücken schob und den Leuchter absetzte.
Dann erschien der Grund ihrer Besorgnis, ein junger Mann mit hochmütigen Gesichtszügen. Er war gekleidet wie ein Edelmann, doch waren sein kurzer Schoßrock und auch die gepolsterten Kniehosen schwarz. Nur das Hemd war weiß, und die strenge Kleidung kennzeichnete ihn als Mitglied der Konservativen um Diane de Poitiers. Armido überlegte, woher er den Mann kannte.
»Geh mir aus dem Weg!« Herrisch wollte der Höfling Armido zur Seite schubsen und wich überrascht zurück, als Armido ihn mit beiden Händen vor die Brust stieß.
»Was willst du, Laffe?« Sein südländisches Temperament flammte auf. Er kannte diese Art von rücksichtslosen Aristokraten, die nur ihrem Vergnügen nachstrebten und dafür im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gingen. In Rom hatte er mehr als ein Mal erlebt, wie es zuging in den hohen Häusern. Hinter den dicken Mauern der Palazzi, in denen er gearbeitet hatte, war der Tod von Lustknaben oder Kindern,
die heimlich gekauft oder entführt wurden, keine Seltenheit. Und dabei gab es keinen Unterschied zwischen Mitgliedern des geistlichen Standes und reichen Patriziern. Solche Erinnerungen schossen Armido durch den Kopf, als er den gierigen Blick sah, mit dem der Höfling seine Schwester, die er für einen Jungen halten musste, verfolgte.
»Du wagst es? Ich bin Guy de Mallêt! Sekretär von Kardinal Tournon!« Genugtuung und das Wissen um seinen mächtigen Herrn standen dem Spross Mallêts ins Gesicht geschrieben.
Hinter dem Rücken ihres Bruders hervor wagte Luisa einen Blick auf ihren Angreifer. Nachdem Meister Rosso gegangen war, hatte sie die restlichen Dekorationen der Nordwand und das Kabinett Seiner Majestät erkundet, als Guy de Mallêt unerwartet aufgetaucht war. Er hatte sie über ihren Bruder und ihren Glauben aushorchen wollen und anzügliche Bemerkungen gemacht. Als sie nicht darauf einging und das Kabinett verlassen wollte, stellte er sich ihr in den Weg. Panisch hatte sie sich gegen seine Hände gewehrt, doch ohne Armidos Auftauchen wäre sie ihm wohl kaum entkommen.
»Und ich bin Armido Paserini, der Bruder von Luca, dem Ihr zu nahe getreten seid, wie es den Anschein hat. Ich bin es gewohnt, mein Recht mit dem Degen zu verteidigen, und bereit, mich mit Euch zu schlagen, falls Ihr das wünscht!« Mit diesem hühnerbrüstigen Geck würde er es allemal aufnehmen und dem unerträglichen Sohn Mallêts nur zu gern eine Lektion erteilen. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, dachte Armido.
Doch Guy de Mallêt legte es nicht auf eine Konfrontation an und sagte mit vor Wut brüchiger Stimme: »Das wirst du bereuen, Paserini. Letzten Endes bist du nur ein Fremder in meinem Land. Denk an meine Worte! Und deinen Bruder
bekomme ich, früher oder später …« Er
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