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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Bruder, dessen Kinnmuskeln zuckten.
    Er blickte an ihr vorbei in den Durchgang zu den königlichen Gemächern. Man konnte nie wissen, wer sich hinter der nächsten Ecke oder einer geheimen Tür verbarg. »Komm jetzt. Du musst etwas essen. Wie soll ich Pietro erklären, dass du vor lauter Arbeit nicht zum Essen kommst?«
    »Oh, ich vermisse ihn sehr. Inzwischen müsste er doch den Brief und das Geld erhalten haben, meinst du nicht?« Gemeinsam verließen sie die Galerie und stiegen hinunter zur Küche.
    Bereits kurz nach ihrer Ankunft in Fontainebleau hatte Armido die Summe, die Luisa entwendet hatte, und ein erklärendes Schreiben mit einem Boten der scarsella dei lombardi nach Siena geschickt. »Er wird sich schon melden. Gib ihm etwas Zeit, immerhin hast du ihn enttäuscht und im Stich gelassen, darüber muss er erst einmal hinwegkommen.«
    Traurig ließ Luisa den Kopf hängen. Bisher hatte sie es
nicht bereut, dieses große Wagnis eingegangen zu sein, nicht einmal nach Mallêts Angriff. Seit sie Rossos Gemälde in Volterra gesehen hatte, hatte der Wunsch in ihr gebrannt, den Meister zu sehen und mit ihm zu arbeiten. Dafür war sie bereit, jedes Opfer zu bringen. Nur wenn sie an Pietro dachte, wurde ihr schwer ums Herz. Aber er hätte sie niemals gehen lassen, und deshalb hatte sie keine andere Wahl gehabt. Laute Stimmen, Gelächter und Bratengerüche kündigten den Speisesaal an, und sie spürte plötzlich, wie hungrig sie war.
    Der Speisesaal hatte sich geleert. Thiry und die Niederländer waren gegangen, aber Scibec saß noch an seinem Platz, den Kopf in die Hände gestützt. Armido und Luisa setzten sich neben ihn.
    »Alles in Ordnung, Francesco?«, erkundigte sich Armido. Die Antwort des Holzschnitzers war ein Brummen.
    Luisa nahm sich Brot und Pastete und schnitt ein Stück Fleisch ab, das inzwischen kalt war, doch das störte sie nicht. Sie hielt ihrem Bruder den Becher hin. Der Muskateller rann wärmend die Kehle hinunter, und langsam gewann sie ihre Selbstsicherheit zurück. »Bastard …«, fluchte Luisa und spülte ihren Ärger mit einem großen Schluck Wein hinunter.
    Die anderen Handwerker beachteten sie nicht, denn sie waren mit Würfelspielen beschäftigt oder unterhielten sich lautstark. In Gesellschaft ihrer Landsleute fühlte Luisa sich sicher. Sie konnte sich bereits auf Französisch verständigen, doch war ihr die Sprache noch fremd, und sie mochte die gezierte Art der Hofleute nicht. Obwohl sie verstand, dass ihr Bruder Bedürfnisse hatte, und durchaus Josettes äußerliche Vorzüge sah, brachte sie auch der kapriziösen und launischen Zofe wenig Sympathie entgegen.
    Ihr Gedankengang wurde jäh unterbrochen. Draußen ratterten Karren über den Hof, Pferdehufe klapperten, Hunde bellten, und laute Stimmen klangen auf. Kurz darauf trat
eine Gruppe Männer und Frauen herein, deren Kleidung und herrisches Auftreten sie als Personal des Königs auswies.
    Die Köchin, die bisher für die Schlossküche zuständig gewesen war, wurde nach den vorhandenen Vorräten ausgefragt, und dann übernahm der königliche Quartiermeister die Leitung des Haushalts.
    Armido und die anderen Handwerker verharrten gelassen auf ihren Bänken. »Das ist das Vorkommando«, erklärte er seiner Schwester, die staunend den plötzlichen Aufruhr betrachtete. »Der Quartiermeister geht jetzt durchs Schloss und teilt die Unterkünfte ein. Wirst gleich sehen, dass überall auf den Türen mit Kreide steht, wer dort nächtigen soll. Wenn wir Pech haben, werden wir ausquartiert.«
    »Und wohin kommen wir dann?«
    »Einige schlafen in den Werkstätten. Meister Rosso und Meister Primaticcio behalten natürlich ihre Quartiere.« Armido war bereits einmal umquartiert worden und hatte die Gastlichkeit seines Meisters kennengelernt, der sie bereits des Öfteren in seinen Privatgemächern aufgenommen hatte. Nein, auf Rosso ließ er nichts kommen, auch wenn Primaticcio gegen ihn stichelte.
     
    Schlaftrunken wachte Luisa am nächsten Morgen auf. Es war noch stockfinster, und dennoch drang Lärm vom Korridor und auch von draußen zu ihr herein. Da fiel es ihr wieder ein – heute kam der König! Gestern hatte der Quartiermeister mit dem Vorkommando das Schloss auf den Kopf gestellt, doch die Künstler hatten in ihren Zimmern bleiben dürfen, weil der größte Teil des Trosses im Louvre verblieben war. Fröstelnd schlug Luisa die Decken zurück, bekreuzigte sich, wie sie es jeden Morgen tat, und murmelte ein Paternoster, während sie die Füße

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