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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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auf die Dielen stellte und überlegte, ob sie sich warmes Wasser bringen lassen sollte.
Da klopfte es an der Verbindungstür zu Armidos Zimmer, und ihr Bruder streckte den Kopf herein.
    »Guten Morgen. Mach dich gleich fertig. Wenn hoher Besuch da ist, sollten wir früh in der Galerie sein. Auf dem Tisch hier findest du noch Gewürzwein und Grütze.« Armido fuhr sich durch die dichten Haare. Die halbe Nacht hatte er sich mit der Resolution von Chanforan um die Ohren geschlagen. Schon in wenigen Tagen sollte er vor die Brüder und Schwestern treten und seinen Aufnahmewunsch begründen. Im Grunde war der Zeitpunkt günstig, denn während der Reise nach Paris würde seine Abwesenheit kaum auffallen, da alle viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren.
    »Armido! Komm schnell her, das musst du dir ansehen!« Bartolomeo, ein Stukkador aus Arezzo, rief ihn von draußen.
    »Bis gleich!«, rief Armido seiner Schwester zu und eilte davon.
    Seufzend ging Luisa zu ihrer Waschschüssel und rieb sich mit dem eiskalten Wasser ab. Ihre Haut hatte sich von der entbehrungsreichen Reise erholt, und die Ausschläge waren fast abgeheilt. Die reichhaltige Kost hatte ein Übriges getan und ihr Körper seine Eckigkeit verloren. Das wiederum bedeutete, dass sie ihren Busen umso fester einschnüren musste, damit sich keine verräterische Rundung zeigte. Aber das war ein kleines Opfer im Vergleich zu dem, was sie hier lernte.
    Mit geübtem Griff wickelte sie sich den Tuchstreifen um den Oberkörper, steckte den letzten Zipfel fest, strich sich über den flachen Bauch und die schmalen Hüften und fragte sich, wie es sich anfühlen würde, wenn Meister Rossos Künstlerhände sie berühren würden. »Dummes Ding!«, sagte sie laut und drehte den kleinen Spiegel um, der auf ihrem
Tisch lag und das einzige Tribut an ihre Weiblichkeit war. Rosso blieb ihr ein Rätsel. Sie hatte verstanden, dass Pellegrino mehr als nur sein Assistent war, andererseits wurden Rosso Affären mit Frauen in Rom nachgesagt.
    Luisa kleidete sich vollständig an, knöpfte ihr Wams zu und schlang einen Schal um den Hals. Schließlich bürstete sie die Haare, wand ein Lederband um den kurzen Zopf und setzte ihre Kappe auf. Seit es kalt geworden war, trugen1 die meisten Künstler eine Mütze, und Scibec schien mit seiner ohnehin verwachsen zu sein. Auf ihre Bitte hin hatte Didier ihr halbe Handschuhe machen lassen, mit denen sie zeichnen und arbeiten konnte. Diese streifte sie nun über und ging ins Zimmer ihres Bruders, das er augenscheinlich stehenden Fußes verlassen hatte, denn seine Sachen waren überall verstreut.
    »Das schöne Hemd!« Sie hob ein gutes Leinenhemd vom Boden auf und fand darunter einen dicht beschriebenen Bogen Papier. Das war nicht Armidos Handschrift. Neugierig ging Luisa zur Kerze, die auf dem Tisch brannte, trank einen Schluck Wein und tippte mit dem Finger in die lauwarme Grütze, die nach Honig schmeckte. Dann setzte sie sich und hielt den Bogen ins Licht. » Resolution von Chanforan vom 12. September 1532 «, las sie halblaut und hielt den Atem an, denn was nun folgte, war Häresie!
    Die Ohrenbeichte ist nicht von Gott befohlen. Die Schrift sagt, dass der Christ allein Gott, dem Ehre und Ruhm gebühren, beichten soll. Die zweite Art von Beichte ist die Versöhnung mit dem Nächsten nach Matthäus 5, Jakobus 5 und desgleichen. Die dritte Art handelt nach Matthäus 18 von dem, der gegen mich sündigt. Und ich weiß, dass ich zu ihm muss und nicht er zu mir. Und wenn er sich weder durch mich noch durch Zeugen korrigieren will, dann durch die Gemeinde
vor Gott. Wie er öffentlich gesündigt hat, so muss er auch seine Sünde öffentlich bekennen. Eine andere Beichte finden wir in der Schrift nicht.
    Ihr Herz raste. O Armido, auf was hast du dich da eingelassen? Sie starrte auf das Blatt und versuchte zu verstehen. Die Beichte war heilig, jeder wusste das. Wer daran zweifelte, war ein … Sie wollte das Wort nicht einmal denken.
    »Entschuldigt die Störung, Monsieur, aber alle werden von Meister Rosso Fiorentino in der Galerie erwartet.«
    »Himmel! Wie könnt Ihr nur …!« Sie drehte den Bogen mit der Schriftseite nach unten, fuhr herum und entdeckte Didier, der sich so leise wie eine Katze hereingeschlichen haben musste. »Du! Was schleichst du herum und erschreckst einen anständigen Menschen zu Tode!«
    Der junge Provenzale senkte den Kopf. »Ich bitte um Entschuldigung, aber ich habe Auftrag, alle Künstler sofort in die Galerie zu senden.

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