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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Glaubensbrüder aus Rom berichtet hatten. Darüber hinaus hatte er in Armido einen Freund gefunden, und er wusste, dass der Stuckateur seine Schwester liebte. Und auch wenn Aleyd es nicht zeigte, so glaubte er, dass seine Schwester Armidos Zuneigung erwiderte. Es war nicht üblich unter den »Armen«, die Frauen allzu jung zu verheiraten. In den Dörfern des Luberon lebten viele Frauen, die mit zwanzig noch unvermählt waren. Denn bei der Wahl des Ehepartners war eine Regel zwingend, und die lautete, nur einen aus der Gemeinschaft zu wählen.

VIII
    Mars und Venus
    S eit jener ersten Begegnung mit Rosso Fiorentino waren zwei Wochen vergangen, in denen Luisa an der Seite ihres Bruders ausschließlich mit dem Anfertigen von Zierleisten beschäftigt gewesen war. Sie beschwerte sich nicht, obwohl die Arbeit keine Herausforderung für sie war, sondern bemühte sich, die ihr aufgetragenen Aufgaben mit größter Präzision auszuführen.
    Heute Abend war es ruhig in der Galerie. Bis auf zwei Diener, die Böden fegten und Tücher ausschüttelten, war niemand mehr hier. Die anderen waren vor einer Stunde zum Essen gegangen, doch Luisa hatte sich angewöhnt, länger in der Galerie zu bleiben, um mit den Fresken allein zu sein. Sie befestigte einen Bogen Papier auf einer Holztafel und versuchte sich am Kopieren der Vénus frustrée . Ohne die vielen Menschen und die Kohlebecken, die von den Dienern tagsüber am Glühen gehalten wurden, war es empfindlich kalt in der Galerie. Die kühle Feuchtigkeit schien alles zu durchdringen.
    Ihre Finger waren steif und klamm, während sie mit sicheren Strichen die Komposition des Freskos mit roter Kreide zu skizzieren versuchte. Sie hatte sich auf die Bank an der gegenüberliegenden Wand gesetzt und spürte den kalten Luftzug, der durch das Fenster hinter ihr drang. Obwohl sie sich in Schal und Umhang gehüllt und die Beine in den
warmen Stiefeln, die ihr Bruder ihr geschenkt hatte, untergeschlagen hatte, begann sie zu zittern. Seufzend hob sie den Kopf. Vielleicht konnte sie die noch glimmende Kohle in dem Becken schräg vor ihr etwas länger am Leben halten.
    Sie legte die Tafel zur Seite und stand auf. Ihr Magen knurrte. »Musst dich noch gedulden«, murmelte sie, nahm den eisernen Haken, der neben dem Kohlebecken hing, und stocherte in der Glut, bis Funken stoben und ihr Gesicht von der ausströmenden Wärme zu glühen begann.
    Plötzlich wehte ein eisiger Luftzug durch die Galerie und löschte die Kerzenleuchter am östlichen Ende aus. Schritte erklangen, und Luisa wartete mit dem eisernen Haken in der Hand, bis sich die Gestalt eines Mannes aus der Dunkelheit löste.
    »Meister Rosso.« Wie ein Kaninchen, das vom Blick der Schlange gebannt ist, verharrte sie neben dem Kohlebecken, den Eisenhaken in der Hand.
    Er war allein und schien geritten zu sein. Der Pferdegeruch haftete ihm an, und er trug Handschuhe aus feinem Leder und ebensolche Hosen, die sich eng um seine Beine schmiegten, sowie gut geschnittene Stiefel und einen wollenen Umhang. In seinem Gürtel steckten ein Dolch und ein Degen, mit dem er umzugehen verstand, wie sie gehört hatte.
    »Wollt Ihr mich erschlagen, Luca?« Er zog die Kapuze des Umhangs zurück und blieb stehen.
    Ihre ohnehin schon roten Wangen wurden noch dunkler, und verlegen hängte sie den Haken an seinen Platz. »Entschuldigt.«
    »Was macht Ihr noch hier? War der Tag nicht lang genug?« Er stemmte die Hände in die Hüften und sah sich um. Eine Antwort schien er nicht zu erwarten, denn sein Blick glitt prüfend über die schwach von flackernden Kerzen erleuchteten
Fresken und Stuckfiguren, die sich grotesk im Spiel der Schatten zu winden schienen.
    »Ich bin gern allein hier. Dann fühle ich mich den Figuren nahe. Sie sind voller Bewegung und Dramatik, sie sind fleischlich.« Sie hatte leise, mehr zu sich selbst gesprochen, doch Rosso Fiorentino wandte ihr das Gesicht zu.
    Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen. »Sie leben, lösen Gefühle aus, nicht wahr? Die Sphinxe und Chimären, die Engel dort oben, meine schöne Venus und die gigantischen Zentauren, alles ist miteinander verbunden durch die Symmetrie der Gegenüberstellung, durch die Wiederholung der Motive auf verschiedenen Ebenen. Auf den ersten Blick ist die verzahnte Vielschichtigkeit des Raumes nicht zu fassen. Der Betrachter glaubt zu erkennen, sieht sich beim Nähertreten getäuscht und entdeckt eine weitere Facette des Gesamtkunstwerks.« Bedächtig schritt er in die Raummitte und drehte

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