Die Malerin von Fontainebleau
inmitten seines Hofstaats, der aus mehreren wunderschönen Damen und Dutzenden eleganter Herren bestand. Mit offenem Mund starrte Luisa auf das prächtige Bild, das sich ihr am Eingang der Galerie bot. Rasch stand sie auf, hätte fast einen Knicks gemacht, besann sich eines Besseren und verneigte sich stattdessen, wie es auch die anderen Männer taten. Sie hob den Blick erst wieder, als ein Raunen durch die Menge ging und der König eine einladende Geste machte.
»Seine Majestät wünscht keine Unterbrechung der künstlerischen Tätigkeiten«, verkündete der Höfling, der eine Art Zeremonienmeister zu sein schien, und die Künstler nahmen ihre Arbeit wieder auf.
Luisa setzte sich auf ihre Bank und nahm die Kreide in die Hand. Doch was sich ihr bot, war viel zu faszinierend, als dass sie sich wieder ihrer Zeichnung hätte widmen können. König Franz war eine stattliche Erscheinung, und das lag nicht nur an seiner Robe, die aus einem Wams, kurzer gegürteter Pelzschaube, Pluderhosen und Strumpfhosen bestand, gefertigt aus Brokat und Seide. Seine Waffen waren aus edelstem Metall, und die Griffe glitzerten von Edelsteinen. Noch beeindruckender war seine Körpergröße, mit der er die meisten Herren überragte. Dazu kamen breite Schultern, eine gerade Haltung und ein offener Blick, der freundlich beobachtete. Dieser König hatte nichts Gekünsteltes oder Gespreiztes. Das ovale Gesicht war von dichtem schwarzem Haar und einem seidig gekämmten Bart umrahmt. Wie alle Herren seines Hofstaats trug er einen
schwarzen, mit Straußenfedern geschmückten Hut. Möglicherweise waren seine Augen etwas schmal und die Nase zu lang, aber das fiel bei seinem einnehmenden Wesen kaum ins Gewicht.
Armido hatte die Gelegenheit genutzt und war zu Luisa getreten. »Und was sagst du zu unserem König?«, flüsterte er.
»Er ist beeindruckend, ganz anders, als ich dachte.« Luisa sah, wie Franz mit den Künstlern sprach, ihnen auf die Schultern klopfte oder eine der Damen auf ein Detail der Ausschmückungen hinwies, das ihm besonders gefiel.
»Wir haben Glück, aber lass dich nicht blenden. Er ist der Schönheit und den Künsten ergeben, aber er ist auch Politiker.« Armido dachte an die berüchtigte Plakataffäre, die vor drei Jahren Hunderte französische Lutheraner, darunter viele Buchdrucker, das Leben gekostet hatte. In seiner Position den Protestanten gegenüber unschlüssig, hatte Franz sich letztlich für die katholische Kirche entschieden. Nicht einmal seine liberale Schwester, Marguerite de Navarre, hatte die furchtbaren Scheiterhaufen und die Verfolgung Unschuldiger verhindern können. »Gib mir das Papier!«, forderte er seine Schwester auf.
Keiner sah zu ihnen hin. Alle waren von der Anwesenheit des Monarchen gebannt. »Das hatte ich ganz vergessen.« Sie reichte Armido das Blatt, der es zusammenfaltete und in seinen Stiefelschaft steckte. »Armido, was …?«
Am östlichen Ende der Galerie wurde es unruhig. Rosso Fiorentino kam mit Pellegrino und drei weiteren Assistenten im Laufschritt auf den König zugeeilt.
Mit einer tiefen Verbeugung begrüßte er seinen Mäzen. »Eure Majestät, ich bin untröstlich, aber ich hatte Euch diese Entwürfe versprochen und … Nun, hier sind sie!«
Als hätte er auf dieses Stichwort gewartet, ging Pellegrino
zu den Assistenten, jungen Italienern, die Luisa noch nicht gesehen hatte, und nahm ihnen eine Maske und ein Zaumzeug aus den Händen, um es dem König zu präsentieren.
»Ah! Mein lieber Rosso!« Sichtlich begeistert ergriff Franz die goldene Maske, die man mittels eines Stieles vor das Gesicht halten konnte. Das dargestellte Gesicht war eine Mischung aus griechischer Tragödie und Groteske, bizarr und zugleich erhaben. Die Hofdamen drängten näher und kicherten entzückt. Franz reichte ihnen die Maske und nahm nun das Halfter mit den reich beschlagenen Lederriemen und wendete es hin und her.
»Prächtig! Und die Rüstung für mein Pferd?«
»Sie wird eben gebracht. Wenn Ihr damit in die Stadt einzieht, wird das einem Triumphzug gleichkommen.«
Es dauerte tatsächlich nur wenige Augenblicke, und drei Pagen brachten die glänzenden Teile der Rüstung herein, die von allen ausgiebig bewundert und beklatscht wurde. Als der Neugier Genüge getan war, wandte sich Rosso wieder an den König: »Was sagt Ihr zu den Fortschritten in der Galerie?«
» Formidable , in der Tat!« Franz war mit seinem Gefolge bis zur Mitte der Galerie gekommen und war nun in Höhe von Luisa und Armido,
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