Die Malerin von Fontainebleau
Gegners wich.
Mit ausgebreiteten Armen lag der Hundeführer auf dem Rücken und starrte in den Nachthimmel. Sein Pferd stand in einiger Entfernung und suchte den Boden nach Fressbarem ab. Stoßweise floss Blut aus der Wunde, und Armido wusste, dass er dem Mann nicht mehr helfen konnte. Mit blutigen Händen würde er nun zum Treffen mit dem barbe kommen, mit einer Todsünde auf dem Gewissen sollte er den neuen Glauben annehmen. Verzweifelt presste er seine Hand auf die Wunde.
»Wer hat Euch geschickt? Was wollt Ihr von mir?«
Eine Hand des Sterbenden zitterte, und er stammelte: »Ketzer … Ihr … Inquisitor kommt …« Hier brach seine Stimme, und Blut rann ihm aus dem Mund. Der Kopf sackte zur Seite.
Armido ließ ihn los und wischte das Messer an der Kleidung des Toten ab. Was sollte er mit der Leiche machen? Der Mann könnte einem Räuber zum Opfer gefallen sein. Häufig trieben sich welche hier in den Wäldern herum. Damit
ein Raubüberfall glaubhaft war, durchsuchte Armido die Leiche nach Geld und nahm auch die Waffen an sich, denn die Jagdmesser waren von guter Qualität. Ein Gesetzloser hätte die Leiche bis auf die nackte Haut geplündert, aber das brachte Armido nicht über sich. Als Letztes packte er den Toten an den Armen und zerrte den Körper, der ihm bleischwer vorkam, hinter einen Busch. Dem grasenden Pferd gab er einen Klaps auf das Hinterteil, dass es sich in Bewegung setzte und Richtung Fontainebleau davontrabte. Weder in den Satteltaschen noch bei dem Jäger hatte er einen Hinweis auf den Auftraggeber dieser Verfolgung gefunden, aber das war auch nicht notwendig.
Armido holte sein eigenes Pferd aus dem Wald, entzündete seine Fackel und machte sich auf den Weg zum Feenteich. Er musste sich beeilen, wollte er noch vor dem Morgengrauen unbemerkt zum Schloss zurückkehren.
X
Der Feenteich
Z um vierten Mal in dieser Nacht stand Luisa auf, um nachzusehen, ob ihr Bruder zurück war. Sie wusste, dass Armido nicht bei Josette war, denn die hatte bis spät in die Nacht mit den Höflingen gefeiert und Luisa nur ein Mal gefragt, wo Armido stecke. Da Luisa keine passende Entschuldigung eingefallen war, hatte sie nur mit den Schultern gezuckt und sich abgewendet. Aber sie hoffte, dass Josette zu sehr mit den schmeichlerischen Edelleuten beschäftigt war, die sie umschwirrten wie die Motten das Licht, als dass die Zofe Zeit hätte, sich über Luisas Verhalten zu ärgern.
Nachdem sie Armidos Bett immer noch leer vorgefunden hatte, streifte sie ihr Wams über und öffnete vorsichtig die Tür zum Flur. In einer Hand hielt sie einen Kerzenleuchter, denn die Gänge waren spärlich oder überhaupt nicht beleuchtet. Bei Scibec gegenüber war alles ruhig. Der Holzschnitzer hatte dem Rotwein wohl wieder einmal mehr zugesprochen, als ihm guttat, und sein Schnarchen drang bis nach draußen.
Nach Armidos kryptischen Andeutungen während der Jagd, denen keine Erklärung gefolgt war, nahm Luisa an, dass er sich mit einem dieser Vaudois traf. O Bruder, auf was hast du dich da eingelassen?
Selbst die Diener schienen zu schlafen, denn niemand lief eilfertig über die Flure, um die Wünsche der Herrschaften
zu erfüllen. Rasch ging Luisa zum Treppenhaus, folgte den Stufen bis in den ersten Stock und horchte in Richtung der königlichen Gemächer, doch auch Seine Majestät schien sich der Nachtruhe hinzugeben. Der Diener vor der Tür des Königs hockte auf einem Stuhl, den Kopf zurückgelehnt und den Mund im Schlaf halb geöffnet. Sie nutzte die Gelegenheit und huschte um die Ecke zu der schmalen Tür, die hinunter in die Küchen führte. Vielleicht war Armido in der Galerie, aber die erreichte man nur durch die königlichen Gemächer oder von Westen, dort, wo die Mathuriner-Abtei angrenzte. Einige Trakte des Klosters hatten den Bauplänen des Königs weichen müssen, und Luisa dachte, dass es nur eine Frage der Zeit sei, wann auch der Rest des Konvents verschwinden würde. Eine Ratte rannte quietschend vor ihr davon. »Hau ab!«, schimpfte Luisa und hielt den Leuchter höher, um nicht über die Kisten und Fässer zu stolpern, die herumstanden.
Jemand hustete, vor dem verglimmenden Feuer der Kochstelle lagen die Küchenjungen, und etwas abseits verursachte ein Paar eindeutige Geräusche, die aber niemanden zu stören schienen. Schnell wandte Luisa den Blick ab und wollte durch die nächste Küche laufen, doch sie stoppte. Die Bäder! Ein guter Ort für ein heimliches Treffen! Bisher hatte sie nur einen kurzen Blick in
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