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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Schritten dem westlichen Ende der Galerie zu. Aus der Abtei trat ein Mönch. Seine weiße Kutte hob sich beinahe strahlend von den grauen Mauern und dem morgendlichen Dunst ab.
    »Gott mit Euch.« Der Mönch faltete die Hände und neigte den Kopf.
    »Und Gott mit Euch, Bruder«, sagte Rosso. »Wie viele arme Seelen habt Ihr in diesem Jahr retten können?«

    »Oh.« Das ernste Gesicht des Mönchs hellte sich auf. Er versteckte die Hände in den weiten Ärmeln seiner Kutte. Die nackten Füße steckten in offenen Sandalen, doch die Kälte schien ihm nichts anzuhaben. »Mehr als vierhundert afrikanische Sklaven haben wir den Korsaren abkaufen können. Vierhundert arme Seelen, die ein zweites Leben beginnen können. Mögen die Teufel, die Profit mit ihnen treiben, in der Hölle schmoren!«
    »Gott segne Euch, Bruder, Euch und Euren wohltätigen Orden.«
    Der Mönch nickte und ging davon.
    »Sklaven?«, fragte Luisa.
    Rosso zog einen Schlüssel aus seinem Gürtel und öffnete die Tür zur Galerie. »Die Mathuriner sind ein Trinitarier-Orden, die sich der Befreiung von Sklaven verschrieben haben. Ihr Verdienst ist außerordentlich. Einmal ist es ihnen gelungen, über tausend Sklaven von einer osmanischen Galeere loszukaufen.«
    »Das wusste ich nicht. Ich dachte, sie wären ein Bettelorden.« Spärliches Dämmerlicht fiel durch die Fenster. In den Kohlebecken glühte es kaum noch.
    In einem Becher standen Hölzer, von denen Rosso eines an den glühenden Kohlen entzündete, um damit anschließend mehrere Kerzen und zwei Öllampen anzubrennen. Die Bilder und Skulpturen schienen sich im Spiel der unruhigen Lichter zu bewegen. Luisa betrachtete das Schauspiel fasziniert und vergaß, warum sie hier mit Meister Rosso stand.
    »Seine Majestät liebt Fontainebleau mehr als alle seine anderen Schlösser«, sagte Rosso und ging zur Raummitte, wo er zwischen den Kabinetten anhielt.
    »Ich habe die anderen Schlösser nicht gesehen, aber ich kann verstehen, dass allein diese Galerie der Grund dafür ist.«

    »Hm, Amboise ist massiv, beeindruckend, Chambord ist extravagant, von gewaltigen Ausmaßen und ein Labyrinth. Das verdrehte zweispiralige Treppenhaus von Leonardo ist einmalig. Fontainebleau muss noch wachsen, architektonisch. Ich meine, seht Euch die zusammengesetzten Bauteile an – dort der alte Donjon, da die neuen Türme mit ihren Zwischentrakten, einschließlich Kapelle, die den Cour Ovale umschließen. Gut, meine Treppe ist verwirklicht worden, aber verglichen mit Chambord fehlt hier die grandezza .« Rosso ging zu einem der Werktische und nahm eine Zeichnung auf. »Aber die Galerie – ja, die hebt Fontainebleau heraus.« Er rollte das Blatt aus und studierte den Entwurf. Dann zeigte er in eines der Kabinette, wo eine ovale, noch leere Rahmung von mächtigen Karyatiden flankiert wurde, darüber prangten zwei ovale Teller. »In diesen Rahmen werde ich die Danaë malen. Ihr sollt die Engel im Hintergrund malen. Traut Ihr Euch das zu?«
    »Was?« Sie musste sich verhört haben. »Ich …« Sie zögerte. Stuckieren war eine Sache, Zeichnen eine andere, aber Malen, nass in nass, das war eine ganz andere Kunst. Da musste jeder Pinselstrich beim ersten Mal sitzen.
    Die Tür ging auf, und Pellegrino kam herein. Als er Rosso mit Luisa entdeckte, verdüsterte sich seine Miene. »Hier seid Ihr! Ich habe Euch gesucht!« Er klang beleidigt.
    »Also?« Rosso ignorierte seinen Assistenten und wartete auf Luisas Antwort.
    »Ja, ich mache es!«
    Zufrieden nickte er und winkte Pellegrino zu sich. » Danaë im ovalen Rahmen, gekrönt von den Tellern mit gemalten Mosaiken, daneben die Karyatiden, deren Leiber in Sockel übergehen. Was sagt Ihr?«
    »Ich finde noch immer, dass die Symmetrie durch die zwei Teller gestört wird.« Pellegrinos Kleidung war wie immer
makellos, seine Haare schimmerten seidig unter dem breitkrempigen Hut. Vertraut legte er Meister Rosso eine Hand auf die Schulter.
    »Keineswegs!« Ein wenig ungeduldig erklärte Rosso: »Jedes Element in der Galerie hat seine Entsprechung, aber eben nicht immer dort, wo man es erwartet. Der Betrachter wird zum Mitdenken gezwungen, zum Rätseln, zum Phantasieren. Die großen Freskenpaare sind eindeutige Pendants, daneben die Skulpturen, die sich kreuzweise ergänzen, aber eben auch die Fresken inhaltlich verstärken. Die darunterliegenden Mosaiken und Malereien entsprechen sich ebenfalls über Kreuz. Und die Karyatidentrios als Vollskulpturen stehen den großen Satyrn am Westende

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