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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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einem vertrauten Kuss auf die Wange, was Armido missmutig zur Kenntnis nahm, während der rustikalere Gérard in die Runde nickte und sich sofort an dem Eintopf bediente.
    »Eh, Gérard, du verfressener Bauer, erzähl, was passiert ist«, forderte Thibault ihn auf, gab seinem Freund jedoch gutmütig ein großes Stück Brot.
    Schmatzend sagte Gérard: »Wir haben Davids Leichnam den Mönchen von Saint-Julien-le-Pauvre gegeben, die ihn bestattet haben. Sie haben keine Fragen gestellt, das Geld genommen, und jetzt liegt David in einem Armengrab.«
    »Besser als am Grund der Seine«, murmelte Robert düster. Er lehnte den Eintopf dankend ab, sagte aber nicht nein zu einem Becher Rotwein.
    »Bist du auch einer von den ›Armen von Lyon‹?«, fragte Armido den eleganten Estienne.
    Der Buchdrucker nippte an seinem Wein. »Nein, aber ich heiße die gedankliche Freiheit, die der neue Glaube gewährt, gut. Solange die Armen dumm gehalten werden, kann die Kirche sie lenken und gängeln wie unmündige Kinder. Wer von den Tagelöhnern oder Bauern kann schon lesen, geschweige denn Latein sprechen? Eine einheitliche Sprache zu schaffen ist unerlässlich. Französisch muss für alle erschließbar sein. Deshalb drucke ich Übersetzungen von lateinischen Schriften ins Französische, dessen Grammatik im Grunde erst festgelegt wird.«
    Aleyd lächelte. »Robert, deine Bücher sind viel mehr als nur Übersetzungen. Du hast die Antiqua, die Buchstaben, mit denen jetzt gedruckt wird, in Frankreich eingeführt, und dein Lateinlexikon, an dem du arbeitest, wird für viele Menschen der Schlüssel zum Wissen werden.«
    »Ja, Wissen bedeutet Freiheit!« Robert ballte kämpferisch die Faust.

    Thibault sagte leise: »Aber zu viele gute Männer mussten sterben. Ich habe Meister Augereau brennen sehen … Und nur, weil er Marguerite von Navarras Spiegel der sündigen Seele gedruckt hat.«
    »Meister Augereau war einer der besten Pariser Buchdrucker«, erklärte Aleyd dem fragend blickenden Armido.
    »Der König hat zugelassen, dass der Mann hingerichtet wurde, der das Buch seiner Schwester herausgebracht hat? Das verstehe ich nicht! Für den Inhalt ist doch Marguerite verantwortlich«, entrüstete sich Armido.
    »Schon«, sagte Jules. »Doch ihre Texte wurden anonym veröffentlicht, auch wenn natürlich jeder weiß, dass sie von ihr sind. Der König liebt seine Schwester und würde nie zulassen, dass ihr etwas geschieht. Allen Ratgebern zum Trotz. Seine Lage ist wahrhaft schwierig. Ständig muss er sich um Ausgleich zwischen den Konservativen, ohne deren Unterstützung er um seinen Thron fürchten muss, und den Reformern, für die er Sympathien hegt, bemühen.«
    »Und dennoch hat sich die Lage in unserem Land seit der Plakataffäre grundlegend verändert«, sagte Thibault.
    »Nicht für Männer, die den uneingeschränkten Schutz des Königs genießen …« Gérard warf einen vielsagenden Blick auf Robert und trank einen Becher Wein in einem Zug aus.
    »Willst du mir das etwa vorwerfen? Dass ich die Protektion Seiner Majestät genieße, kommt uns schließlich allen zugute«, verteidigte sich Robert Estienne, der seit einigen Wochen offiziell zu den Hofdruckern Franz’ I. gehörte.
    »David hat es jedenfalls nichts genutzt …«, murrte Gérard und goss sich neuen Wein ein. Er hatte ein breites, wettergegerbtes Gesicht und kräftige, rissige Hände.
    Armido stellte sich vor, wie diese Hände Davids Leiche aus dem schlammigen Seinewasser gezogen hatten, und verstand die Skepsis des Schiffers gegenüber dem gebildeten
Estienne. Aber Robert wäre nicht hier, wenn er nicht mit ganzem Herzen für liberalere Gesetze und Gedankenfreiheit wäre. Während Armido noch über die unterschiedlichen Charaktere ihrer kleinen Gruppe sinnierte, pochte es plötzlich laut an der Vordertür.
    Alle Anwesenden erstarrten und sahen sich unsicher an. »Erwartest du noch jemanden, Thibault?«, fragte Armido.
    »Nein.«
    Das Pochen wurde lauter. »Heda! Thibault Ariès! Öffnet die Tür! Wir wissen, dass Ihr da seid!«
    »Bleibt hier. Ich gehe nachsehen, sonst zertrümmern sie mir noch den Laden.« Der streitbare Buchhändler setzte seinen Weinbecher ab, straffte die Schultern und ging hinüber in den Ladenraum.
    Atemlos lauschten die anderen, doch nur Gemurmel drang herüber, bis Thibault plötzlich seine Stimme erhob: »Ich bin allein! Das ist eine infame Unterstellung!«
    Wie aufs Stichwort griff jeder nach Bechern und Schüsseln, um sie in der Küche unter einem Tuch

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