Die Malerin von Fontainebleau
hinausgekommen. Aber das würde sich noch ändern. Der Sultan bedrohte weiter die Grenzen des Habsburger Reiches, und Karl konnte nicht an allen Fronten kämpfen. Da der Kaiser sich niemals mit dem Sultan verbünden würde, musste er sich zwangsläufig an Rom und Venedig wenden, und das wiederum setzte voraus, zuerst einen dauerhaften Frieden mit Franz zu schließen. Zu dumm nur, dass der König den schwerwiegenden Fehler begangen hatte und ein heimliches Bündnis mit Suleiman eingegangen war. Geheim war das Bündnis nicht lange geblieben, und eingehalten hatte Franz es auch nicht, was den Sultan maßlos verärgert hatte. Franz war ein Träumer. Er hätte ein gelehrter Lebemann werden sollen, zum Politiker war er weiß Gott nicht geboren.
Aber die Karten waren so verteilt worden. Was für eine große Macht hätte aus Frankreich werden können, hätte man ihn, den Strategen, zum König erkoren … Montmorency spürte jeden Knochen in seinem Körper. Wie viele Schlachten hatte er geschlagen, wie viele Male dieses Land von Norden nach Süden durchquert, immer auf der Suche nach Ruhm und Ehre, nach Macht und Besitz? Zu viele Male, dachte der General, der im gleichen Alter wie sein König war, mit dem zusammen er aufgewachsen war. Sie
hatten gemeinsam Latein gelernt und Hasen gejagt. Doch heute stand er dem Sohn seines einstigen Spielkameraden näher. Henri vertraute ihm, hörte auf ihn, mehr als auf den eigenen Vater, der zu viel verlangte und aus seiner Enttäuschung über seinen Sohn, für den der Thron nicht bestimmt gewesen war, keinen Hehl machte.
Oh, er konnte Franz verstehen. Henris älterer Bruder, der im vergangenen Jahr auf so tragische Weise verstorben war, wäre der bessere König geworden. Franz’ Erstgeborener, der seinen Namen getragen hatte, war besonnen, intelligent und zurückhaltend gewesen, Eigenschaften, wie man sie sich für einen Herrscher wünscht. Henri hingegen war eigensinnig, launen- und lasterhaft und ungebildet. Künste und Wissenschaften langweilten ihn, nur die Jagd, das Raufen, Trinken und eine Frau interessierten ihn. Ein solcher Mann war kein idealer Herrscher, aber in den richtigen Händen eine lenkbare Marionette, und Montmorency zog bereits die Fäden. Einziger Dorn im Auge war Diane de Poitiers. Selbst er hätte es nicht für möglich gehalten, dass Henri ihr derart verfallen würde, aber so war es nun einmal, und nun galt es, das Beste daraus zu machen.
Sein Pferd hob den Kopf und scharrte mit den Hufen. Der Rotfuchs war ein erfahrenes Schlachtross und hatte ihn aus manch gefährlicher Situation gerettet. Montmorency klopfte ihm auf den Hals. »Schon gut, für heute sind wir weit genug gekommen. Irgendwo dort oben wartet ein warmer Stall auf dich. Und auf mich hoffentlich ein weiches Bett.«
In der Ferne hörte er seine Begleiter herantraben. Sie alle waren des Kämpfens müde. Der Winter war lang gewesen und der Sommer davor noch länger. Zuerst die Kämpfe im Norden an der Grenze zu den Niederlanden. Nachdem Franz wieder einmal krank geworden war, hatte er Seite an Seite mit Henri die Kaiserlichen zurückgedrängt und die Regentin
Maria zu einem Waffenstillstand gezwungen. Danach waren sie nach Süden gezogen und hatten das Piemont zurückerobert. Gemeinsam mit dem Dauphin hatte er die Vorhut geführt und den Susapass in einem beispielhaften Manöver genommen.
Montmorency strich sich mit seiner behandschuhten Hand über den Bart. Allein dafür gebührte ihm der Titel. Connétable Anne de Montmorency. Diese Worte waren Musik in seinen Ohren und ließen ihn freundlicher in den verhangenen Winterhimmel blicken. Er hatte es verdient, aber ohne die Fürsprache von Diane und Marguerite hätte Franz auf seine Mätresse gehört und deren Favoriten vorgezogen. Lächerlich, Philippe auch nur in Erwägung zu ziehen. Admiral de Brion. Montmorency stieß ein trockenes Lachen aus. Seit der Schlacht von Pavia war es still um Brion geworden. Nun gut, nachdem Savoyen 1535 vom Grafen Saint-Pol erobert worden war, hatte Brion fast fünfzehntausend Legionäre im Piemont erfolgreich ins Feuer geführt und war in drei Wochen bis Turin vorgerückt, aber danach war Brion kein großer Sieg mehr gelungen. Anne de Pisseleu hatte verloren, und jetzt wusste sie es mit Sicherheit. Inzwischen war der königliche Tross auf dem Weg nach Moulins. Montmorencys Spione hatten ihm berichtet, dass Franz von beiden Söhnen begleitet wurde.
Am Sonntag sollte die Ernennung im Schloss von Moulins stattfinden.
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